Erstes Licht für MATISSE am Paranal Observatorium der ESO in Chile

5. März 2018
Ein neues einzigartiges Instrument für sehr hochauflösende Beobachtungen - MATISSE (Multi AperTure mid-Infrared SpectroScopic Experiment)  - hat am Very Large Telescope Interferometer (VLTI) der ESO am Paranal Observatorium nun erfolgreich erste Daten am Nachthimmel gesammelt, um sicherzustellen, dass das neue Instrument wie erwartet funktioniert. Diese Erfolgsgeschichte belohnt nun die zwölfjährige und intensive Arbeit von Dutzenden von Technikern, Ingenieuren und Wissenschaftlern in Frankreich, Deutschland, Österreich, den Niederlanden und bei der ESO.

MATISSE ist ein Spektrointerferometer der zweiten Generation für das VLTI. Das bedeutet, dass das Instrument die gleichzeitige Beobachtung von bis zu vier der acht Unit-Teleskope (UTs) und Auxiliary Teleskope (ATs) des ESO-VLTI kombiniert, was die Auflösung im Vergleich zu herkömmlichen Beobachtungen mit einem einzelnen Teleskop deutlich erhöht. Da die Auflösung eines jeden Teleskops von seinem Durchmesser abhängt (meist der des Hauptspiegels), ergibt sich die nun erreichbare Schärfe bei der Kombination von vier Teleskopen aus dem Durchmesser der gesamten Anordnung. Während MATISSE vier Strahlengänge kombiniert, kann eine Auflösung erreicht werden, die der eines 200-Meter-Teleskops entspricht.

Das kombinierte Licht mehrerer Teleskope ergibt ein Interferenzmuster wie in der Abbildung oben gezeigt, welches die Information über das Erscheinungsbild des Objekts enthält, aus dem ein verblüffend detailliertes "reales" Bild rekonstruiert werden kann.

MATISSE beobachtet infrarotes Licht - zwischen den sichtbaren- und den Mikrowellenwellenlängen des elektromagnetischen Spektrums - und konzentriert sich auf die L-, M- und N-Bänder im mittleren Infrarotbereich, die Wellenlängen von 3 bis 14,5 Mikrometer abdecken. MATISSE wird damit zu mehreren grundlegenden Forschungsgebieten in der Astronomie beitragen, insbesondere zu den Forschungen über die inneren Regionen der Scheiben um junge Sterne, in denen sich Planeten bilden, zur Untersuchung von Sternen in späten Entwicklungsstadien und zu den Analysen der staubigen Strukturen um supermassereiche Schwarze Löcher in den Zentren aktiver galaktischer Kerne (AGN).

"Indem wir uns die inneren Regionen der protoplanetaren Scheiben um die Sterne herum ansehen, hoffen wir, den Ursprung der verschiedenen Mineralien, die in der Scheibe enthalten sind, zu erfahren - Mineralien, die später die festen Kerne von Planeten wie der Erde bilden werden", sagt Prof. Dr. Thomas Henning, Direktor des Max-Planck-Instituts für Astronomie in Heidelberg und Co-PI des MATISSE-Instruments
"Durch die gleichzeitige Kombination des Lichts von vier Teleskopen können wir Bilder erhalten, die Strukturen in der Größenordnung eines Bruchteils eines Lichtjahres in Zentren von Galaxien zeigen, die etwa 50 Millionen Lichtjahre entfernt sind", ergänzt Prof. Dr. Klaus Meisenheimer, der lokale Projektleiter von MATISSE am MPIA.

Nachdem der niederländische Beitrag, die kalte optische Bank des MATISSE-Instruments, im Frühjahr 2014 offiziell an das MPIA übergeben wurde, erfolgte die Integration in die Kryostate des Instruments am Institut in Heidelberg. „Es wurden umfangreiche Tests bei -235 Grad Celsius durchgeführt, weil das Gerät gekühlt werden muss, um das wissenschaftlich interessante Infrarotsignal astronomischer Objekte nicht durch stark störende Wärmestrahlung zu überlagern", erklärt Prof. Dr. Klaus Meisenheimer.

Ende 2014 verließen die MATISSE-Komponenten das MPIA an das Observatoire de la Cote d'Azur in Nizza, Frankreich, wo alle Teile des Instruments kombiniert wurden. Schließlich wurde MATISSE vor drei Monaten zum Paranal-Observatorium in Chile transportiert. MATISSE ist am VLTI der Nachfolger des äußerst erfolgreichen MIDI-Instruments, das vor zwei Jahrzehnten am MPIA entwickelt wurde.

MATISSEs erstes Licht markiert einen riesigen und aufregenden technischen Fortschritt, der den Anwendungsbereich aktueller optischer Interferometer erweitert und es Astronomen ermöglicht, interferometrische Bilder mit höherer Präzision über einen größeren Wellenlängenbereich zu erhalten. MATISSE wird auch die Instrumente ergänzen, die für das kommende Extremely Large Telescope (ELT) der ESO geplant sind, insbesondere das METIS-Instrument (Mid-infrared ELT Imager and Spectrograph), das sich auf die Erforschung von Exoplaneten, protoplanetaren Scheiben, Körpern des Sonnensystems, aktiven galaktischen Kernen und hoch-rotverschobenen Infrarotgalaxien konzentriert.

Das MPIA beteiligt sich auch an den ELT First Light Instrumenten METIS und MICADO.

Hintergrundinformationen

Die offizielle Pressemitteilung der ESO mit weiteren Bildern und Videos finden Sie hier:
Deutsche Version der ESO: http://www.eso.org/public/germany/news/eso1808/?lang
Englische Version des MPIA: http://www.mpia.de/news/institute/2018-03-Matisse-FirstLight

MATISSE wurde in enger Zusammenarbeit mit der ESO von einem Konsortium aus Instituten in Frankreich (INSU-CNRS in Paris und OCA in Nizza, die das PI-Team beherbergen), Deutschland (MPIA, MPIfR und Universität Kiel), den Niederlanden (NOVA und Universität Leiden) und Österreich (Universität Wien) konzipiert, finanziert und gebaut. Auch das Konkoly-Observatorium und die Universität Köln haben bei der Herstellung des Instruments Unterstützung geleistet.

Instrument P.I.: Bruno Lopez (Observatoire de la Cote d'Azur)
CO-PIs:  Thomas Henning (MPIA), Gerd Weigelt (MPIfR), Walter Jaffe (NOVA), Farrokh Vakili (INSU)
Lokaler Projektmanager am MPIA: Klaus Meisenheimer

Einige weitere interessante Fakten zu MATISSE:

  • Die Überlagerung der Laufwegunterschiede der 4 Teleskopstrahlen erfolgt mit einer Genauigkeit von weniger als 0.6 Mikrometer (millionstel Meter).
  • Bei der Bilderzeugung wird eine Auflösung von bis zu 5 Millibogensekunden erreicht werden.
  • Die beteiligten Institute erhalten von der ESO für den Bau von MATISSE als Gegenleistung garantierte Beobachtungzeit.
  • Neben der kalten Optik sind auch die Detektoren der ESO eingebaut und getestet worden (Temperaturbereich 40 bzw. 8 Kelvin) und alle kalten Teile wurden am MPIA integriert, justiert und getestet.
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