Die dreidimensionale Struktur einer Planeten-Geburtsstätte

7. Februar 2017

Astronomen haben dreidimensionale Strukturen in der protoplanetaren Scheibe rund um den jungen Stern TW Hydrae nachgewiesen. Mit einer neuartigen Analysetechnik konnten sie aus Beobachtungen der Scheibe Rückschlüsse auf deren Struktur ziehen. Das ist ein Fortschritt gegenüber früheren Bildern solcher Scheibenstrukturen: In denen war nicht unterscheidbar, ob es sich um Regionen unterschiedlicher Dichte oder um Unterschiede in der Chemie oder im Aggregatzustand von Staubteilchen handelte. Das Muster, eine ringförmige Lücke, könnte durch einen Planeten verursacht sein oder Instabilitäten anzeigen, aus denen ein Planet entstehen könnte.

Hintergrundinformationen Bilder und Download-Bereich Ausführliche Beschreibung

Planeten entstehen in wirbelnden Scheiben aus Gas und Staub – und die räumlichen Strukturen solcher Scheiben enthalten wertvolle Informationen über das Wie der Planetenentstehung. Erst seit einigen Jahren gibt es überhaupt astronomische Aufnahmen, die detailscharf genug sind, um nicht nur die Scheiben als Ganzes zu zeigen, sondern auch einiges von ihrer Struktur sichtbar zu machen.

Jetzt sind Astronomen unter der Leitung von Richard Teague, einem Doktoranden am Max-Planck-Institut für Astronomie, einen Schritt weitergegangen. Anhand bisheriger Bilder von Scheibenstrukturen war nicht zuverlässig zu unterscheiden, ob sichtbare Scheibenstrukturen auf unterschiedliche Materialeigenschaften zurückgingen (z.B. auf größere oder kleinere Staubteilchen) oder auf Unterschiede in der Dichte der Scheibenmaterie.

Dichteunterschiede sind besonders interessant, weil sie die Anwesenheit eines jungen Planeten verraten können – oder aber einer Region, in der die Wahrscheinlichkeit für die Entstehung eines neuen Planeten besonders groß ist. Teague und seine Kollegen kombinierten Beobachtungen an unterschiedlichen Arten von Licht: einerseits dem von den Staubteilchen reflektierten Licht, andererseits Licht, das von Kohlenstoffmonosulfidmolekülen abgestrahlt wird. Auf dieses Weise konnten sie eine ringförmige Lücke nachweisen, in der die Materiedichte weniger als halb so groß ist wie in den benachbarten Scheibenregionen.

Die Lücke befindet sich in beträchtlicher Entfernung vom Stern: rund 95 mal so weit entfernt wie die Erde von der Sonne. Egal, ob sie die Anwesenheit eines Planeten oder laufende Prozesse der Planetenentstehung signalisiert: Beide Möglichkeiten sind für die heutigen Modelle der Planetenentstehung schwer zu erklären. Diese Modelle bieten keine rechte Möglichkeit, wie sich überhaupt in solch einer Scheibe in derart großer Entfernung vom Stern Planeten bilden können.

Die jetzt veröffentlichten Ergebnisse von Teague und Kollegen und eine ähnliche Veröffentlichung Ende 2016 von Andrea Isella und Kollegen an der Rice University in Texas eröffnen eine neue Phase der Untersuchung von planetaren Geburtsstätten: Astronomen beginnen, die dreidimensionalen Unterstrukturen der protoplanetaren Scheiben zu kartieren.

Hintergrundinformationen

Die hier beschriebenen Ergebnisse sind als R. Teague et al., "A Surface Density Perturbation in the TW Hydrae Disk at 95 au Traced by Molecular Emission" im Astrophysical Journal 835 (2017) erschienen.

Die beteiligten Wissenschaftler sind Richard Teague, Dmitry Semenov, Thomas Henning, Tillman Birnstiel, Roy van Boekel (alle MPIA) in Zusammenarbeit mit Uma Gorti (NASA Ames und SETI-Institut), Stéphane Guilloteau, Anne Dutrey (beide Universität Bordeaux und CNRS) und Edwige Chapillon (Universität Bordeaux, CNRS und IRAM).

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Weitere Abbildungen und Downloadbereich

Abbildung 1

Abbildung 2

Abbildung 3

Ausführliche Beschreibung: Die dreidimensionale Struktur einer Planeten-Geburtsstätte

Planetenentstehung

Planeten entstehen in protoplanetaren Scheiben: gigantischen Scheiben aus Gas und Staub, die einen jungen Stern umschließen. Das grundlegende Bild der Planetenentstehung lässt sich dabei bis ins 19. Jahrhundert zurückverfolgen. Unser Verständnis für die Eigenschaften protoplanetarer Scheiben und für die Prozesse, die in solchen Scheiben Planeten entstehen lassen, hat seither allerdings enorme Fortschritte gemacht.

Oft stehen diese Fortschritte im Zusammenhang mit Verbesserungen der Beobachtungstechnik. Einer davon: Erst seit einigen Jahren könne Astronomen Aufnahmen von protoplanetaren Scheiben anfertigen, die uns direkt Details der Struktur solcher Scheiben zeigen.

Bei der Erforschung protoplanetarer Scheiben hat die Scheibe um den Stern TW Hydrae lange eine besondere Rolle gespielt. Ähnlich wie der Stein von Rosetta in der Ägyptologie oder Drosophila-Fruchtfliegen in der Genetik ist die Scheibe um TW Hydrae Untersuchungen besonders gut zugänglich – und dementsprechend das bestuntersuchte Objekt ihres Typs. TW Hydrae ist nur rund 190 Lichtjahre von der Erde entfernt (und damit zweieinhalb Mal näher als die zweitnächste derartige Scheibe) und bietet damit die Gelegenheit, Planetenentstehung in unserer direkten kosmischen Nachbarschaft zu untersuchen.

Die Scheibe umgibt einen jungen Stern mit einer ähnlichen Masse wie die Sonne. Beobachtungen der Scheibe spielen eine Schlüsselrolle wenn es darum geht, die heutigen Modelle der Planetenentstehung auf die Probe zu stellen.

Bilder von Unterstrukturen...

Erst 2013 ist es Astronomen überhaupt gelungen, Astronomische Abbildungen anzufertigen, auf denen nicht nur die TW Hydrae-Scheibe als Ganzes, sondern auch Strukturen in der Scheibe zu sehen sind. Von besonderem Interesse sind dabei Bilder jüngeren Datums, die ringförmige Strukturen und Klumpen zeigen (vgl. die MPIA-Mitteilung vom März 2016); in anderen Scheiben hat man sogar Strukturen gefunden, die an Spiralgalaxien erinnern (cf. die MPIA-Mitteilung vom September 2016).

Handelte es sich bei den in diesen Bildern sichtbaren Strukturen um Regionen mit deutlich höherer oder geringerer Dichte, dann bestünde ein direkter Bezug zur Planetenentstehung: Lokale Dichteschwankungen in einer Scheibe sind nötig um zu erklären, wie sich Planeten überhaupt bilden können. Und sobald ein Planet eine bestimmte Masse erreicht hat, übt seine Schwerkraft einen messbaren Einfluss auf seine Umgebung aus und kann Ringe, Lücken oder Klumpen in der Scheibe erzeugen.

...oder nur Chemie und Staubeigenschaften?

Allerdings sollte man bei Bildern der protoplanetaren Scheiben nicht zu rasch vom Anschein auf die Substanz schließen. Eine Ringstruktur beispielsweise könnte auch eine sogenannte Schneelinie sein: Innerhalb des Ringes ist es warm genug, dass eine bestimmte Molekülsorte vor allem in Form von Gas vorliegt; außerhalb des Rings sind die Moleküle gefroren und haben sich auf den Staubteilchen der Scheibe niedergeschlagen.

Die Evolution der Staubteilchen selbst liefert einen weiteren Entstehungsmechanismus für Struktur: Wenn Staubteilchen aneinanderkleben, ändert sich die Teilchengröße. Haben die Staubteilchen in einer bestimmten Scheibenregion eine andere Größe als anderswo, dann ändert sich die Lichtmenge, die von jener Scheibenregion reflektiert wird. Das kann sich in astronomischen Aufnahmen als Unterstruktur niederschlagen, die aber nicht mit einer geänderten Dichte der entsprechenden Region einhergeht.

Bis vor kurzem hatten astronomischen Abbildungen Scheibenstrukturen jeweils nur mit einer Art von Beobachtung identifiziert – insbesondere durch die Reflektion von Licht des Zentralsterns an den Staubteilchens, die rund 1% der Masse in der Scheibe ausmachen. Das reicht nicht aus, um zwischen alternativen Erklärungen – Dichte, Chemie oder thermodynamische Effekte – für die beobachteten Strukturen zu differenzieren.

Im Blick: die Außenregionen der TW Hydrae-Scheibe

Jetzt hat eine Untersuchung unter der Leitung von Richard Teague (MPIA) die äußeren Regionen der TW Hydrae-Scheibe auf eine Weise beobachtet, welche die Mehrdeutigkeiten drastisch einschränkt und es erlaubt, mit einiger Sicherheit dreidimensionale Scheibenstrukturen zu identifizieren, in diesem Falle: eine Lücke, in der die Dichte des Scheibenmaterials merklich reduziert ist.

Das ursprüngliche Ziel der Astronomen war ein anderes gewesen: In den aktuellen Modellen der Planetenentstehung spielen turbulente Strömungen eine wichtige Rolle. Sie erzeugen lokale Dichteschwankungen, die sozusagen als Keime für die Planetenentstehung dienen. Anzeichen für solche Turbulenz wollten Teague und seine Kollegen in der TW Hydrae-Scheibe finden.

Dazu beobachteten sie mithilfe des ALMA-Observatoriums Emissionslinien, also helle Lichtaussendungen in einem eng begrenzten Wellenlängenbereich, die für die Moleküle Kohlenstoffmonoxid (CO), Kohlenstoffmonosulfid (CS) sowie für Cyan-Radikale (CN). ALMA ist ein Teleskopverbund von mehr als 60 Radioteleskopen in der Atacama-Wüste in Chile, die so zusammengeschaltet werden, dass sie in punkto Auflösungsvermögen wie ein einziges, großes Teleskop agieren.

An der Oberfläche – und darunter

Warum dieses spezifische Licht, diese spezifischen Spektrallinien? Weil die verschiedenen Linien infolge der Eigenschaften und der Häufigkeiten bestimmte Moleküle Informationen über die räumliche Struktur der Scheibe enthalten.

CO ist in der Scheibe ein vergleichsweise häufiges Molekül. Häufig genug, dass Licht aus CO-spezifischen Spektrallinien von den CO-Molekülen der Scheibe so effektiv absorbiert und gestreut wird, dass die Scheibe für diese Sorte von Licht undurchsichtig ist. Entsprechend zeigen Beobachtungen im Lichte dieser Spektrallinien nur die Oberfläche der Scheibe. Für andere Spektrallinien, insbesondere CS, ist dagegen die gesamte Scheibe durchsichtig. Beobachtungen zeigen Licht von allen CS-Molekülen in der Scheibe. Die CN-Linien liegen zwischen den beiden Extremen: Für ihr Licht ist die Scheibe halbdurchsichtig. Beobachtungen in solchem Licht liefern Informationen über Moleküle bis zu einer gewissen Tiefe unter der Scheibenoberfläche.

Indem man die Beobachtungen aller drei Linien kombiniert, kann man zumindest einiges an Informationen über die Unterschiede zwischen der Oberfläche, der tieferen Schichten und der Scheibe als ganzes Rekonstruieren – mit anderen Worte: über die räumliche Struktur. Mithilfe dieser Informationen kamen die Astronomen zu dem Schluss, dass die TW Hydrae-Scheibe in der Tat Anzeichen von Turbulenz aufweist wie es zu erwarten wäre, wenn sich in der Scheibe derzeit gerade neue Planeten bilden (Teague et al. 2016).

Ein Zufallsfund

Zusätzlich fanden die Forscher in den Beobachtungen in der CS-Linie etwas, das sie nicht erwartet hatten. Die betreffende Linie entspricht einer Veränderung in der Rotationsgeschwindigkeit des Moleküls (J = 5 –4), und sie zeigte deutlich erkennbare ringförmige Strukturen bei Abständen ab 95 astronomischen Einheiten vom Zentralstern. (Eine astronomische Einheit entspricht der durchschnittlichen Entfernung der Erde von der Sonne.) In unserem eigenen Sonnensystem läuft der Zwergplanet Pluto im Durchschnitt rund 40 astronomische Einheiten von der Sonne entfernt um; im Abstand von 95 astronomischen Einheiten liegt der innerste Rand der (hypothetischen) Oort-Wolke aus Kometen und anderen Kleinkörpern, welche unser Sonnensystem umgibt.

Wie erwähnt ist die Scheibe für Licht der CS-Linie durchsichtig. Strukturen in einem entsprechenden Bild geben daher in der Regel physische Strukturen wieder, welche die gesamte Scheibe betreffen – im Gegensatz zu CO-Bildern, bei denen wahrscheinlicher ist, dass sie reine Oberflächeneffekte zeigen.

Die Astronomen sahen außerdem eine Struktur, die mit 180 astronomischen Einheiten noch deutlich weiter vom Zentralstern entfernt ist, ganz am Rande der TW Hydrae-Scheibe: einen Ring der im CS-Licht etwas heller aussah als die benachbarten Regionen.

Gas und Staub vergleichen

Teague und seine Kollegen bezogen daraufhin eine weitere Art von Bobachtung in ihre Untersuchungen mit ein.  Bereits 2013 hatten Astronomen um John Debes vom Space Telescope Science Institute die TW Hydrae-Scheibe im Licht des Staubs aufgenommen, das vom Zentralstern ausgesandt und anschließend reflektiert wird. Auch dabei war eine Lücke in ungefähr dem richtigen Abstand vom Zentralstern sichtbar geworden (Debes et al. 2013).

Teague und Kollegen nutzten ein ähnliches, deutlich detailreicheres Bild der TW Hydrae-Scheibe, das von einer anderen Gruppe von Forschern unter der Leitung von Roy van Boekel (MPIA) aufgenommen worden war (van Boekel et al. 2016). Dabei war das neue Instrument SPHERE am Very Large Telescope der ESO zum Einsatz gekommen, um hochaufgelöste Aufnahmen der TW Hydrae-Scheibe im Infrarotbereich zu erstellen. Die Beobachtungen nutzten eine besondere Fähigkeit von SPHERE: in bestimmter Weise polarisiertes Licht zu erfassen. So lässt sich reflektiertes Licht von dem Licht trennen, das Gas und Staub direkt aussenden. Auch sogenanntes "differential imaging" kam zur Anwendung: eine Spezialtechnik, bei der mehrere Bilder kombiniert werden, um Beobachtungsartefakte (welche durch das Teleskop zustandekommen) zu unterdrücken.

Die SPHERE-Bilder zeigen drei ringförmige Lücken; deren äußerste, ebenfalls in rund 95 astronomischen Einheiten Abstand vom Zentralstern, entspricht der auch von Teague und Kollegen im CS-Licht nachgewiesenen Lücke. Dass die Lücke damit bei zwei deutlich verschiedenen Beobachtungen sichtbar wird ist bereits ein deutliches Anzeichen dafür, dass es sich tatsächlich um eine räumliche Struktur handelt, nicht um einen chemischen oder Oberflächeneffekt.

Scheibenmodelle

Um noch besser abgesicherte Schlüsse ziehen zu können, konstruierten die Forscher realistische Modelle der Scheibe. Ausgangspunkt war dabei ein Scheibenmodell ohne Unterstrukturen, das auf vorangegangenen Beobachtungen sowie auf physikalischen und chemischen Gleichgewichtsbedingungen basierte. Diesem Modell fügten die Forscher dann kleine Störungen hinzu, welche die beobachteten Ringe und Lücken darstellen sollten.

Dann berechneten sie, wie diese Störungen die Scheibe beeinflussen würden, etwa wie sich die Temperaturen und die chemische Zusammensetzung in bestimmten Scheibenregionen aufgrund der Störungen ändern würden. Solche Scheibeneigenschaften hängen direkt damit zusammen, wie Strahlung in der Scheibe absorbiert, reflektiert und ausgesandt wird; Strahlungseigenschaften waren damit ein unverzichtbarer Teil des Modells.

Insgesamt berechneten die Forscher Materie- und Strahlungseigenschaften für sieben verschiedene Modelle, die sich durch die Eigenschaften und Lage der Lücke unterscheiden. In einigen der Modelle war die Lücke eine reine Eigenschaft der Staubteilchen, ohne dass die Gasdichte beeinflusst wäre.

Der Vergleich dieser Modelle mit den Beobachtungen, sowohl der mit ALMA gemessenen CS-Linien als auch des vom Staub reflektierten Lichts mit SPHERE, lieferte ein eindeutiges Ergebnis.

Demnach ist der etwas hellere Ring bei 180 astronomischen Einheiten in der Tat keine Eigenschaft der Dichte, sondern erklärt sich durch den Zustand der dortigen CS-Moleküle: Nahe des Scheibenrandes ist die Materiedichte generell deutlich geringer. Die Strahlung kann damit eine größere Zahl von CS-Molekülen erreichen, die sich an Staubteilchen niedergeschlagen haben, und sie verdampfen. Der resultierende (geringe) Anstieg des Gehalts an gasförmigem CS kann das Erscheinungsbild des äußeren Rings erklären.

Die Lücke bei 95 astronomischen Einheiten dagegen ist in der Tat mit großer Wahrscheinlichkeit eine Region, in der es deutlich weniger Gas und Staub gibt. In der Lücke ist die Materiedichte nur 45% so groß wie in den umliegenden Regionen.

Endlich dreidimensionale Strukturen!

Die Arbeit von Teague und Kollegen ist erst das zweite Mal, dass solche Dichtestrukturen in protoplanetaren Scheiben nachgewiesen worden sind. Eindrucksvolle Bilder von Ringen und Klumpen gibt es zwar bereits seit einigen Jahren, aber bis Ende 2016 konnte man keines dieser Bilder mit größerer Sicherheit auf dreidimensionale Dichtestrukturen zurückführen. Stattdessen hätten die in den Bildern sichtbaren Strukturen auch auf Unterschiede in den Eigenschaften von Staubteilchen zurückgehen können.

Parallel zu der Arbeit von Teague und seinen Kollegen lief eine ähnliche Auswertung für eine andere Scheibe, die im Dezember 2016 von Andrea Isella und Kollegen veröffentlicht wurde (Isella et al. 2016). Auch jene Gruppe nutzte ALMA/Daten, um zum einen vom Staub reflektiertes Licht nachzuweisen, zum einen eine spezifische CO-Linie. Bestimmte ringartige Strukturen waren bei beiden Beobachtungen sichtbar.

Beide Studien läuten eine neue Phase der Untersuchungen von protoplanetaren Scheiben ein: Nach Forschung, die sich fast ausschließlich auf die Auswertung von Spektren beschränkte und ersten detaillierten Bildern ab dem Jahre 2013 nun die Auswertung von Bildern in unterschiedlichen Wellenlängen, die Informationen über die dreidimensionale Dichtestruktur solcher Scheiben liefern.

Ein weit entfernter Planet?

Nachdem klar geworden war, dass die Lücke bei 95 astronomischen Einheiten einer Region geringerer Gasdichte entspricht, liegt es nahe, nach den Gründen zu fragen. Eine attraktive Erklärung ist das Vorhandensein eines Planeten: Läuft der entlang seiner Umlaufbahn, dann zieht er Materieteilchen auf sich und reinigt seine Umlaufbahn förmlich von Gas und Staub. (Innerhalb unseres Sonnensystems ist dies Teil der Definition von Planeten: hinreichend starke Gravitation, um die eigene Umlaufbahn von Materieteilchen und Kleinkörpern zu reinigen.)

Anhand der Modelleigenschaften konnten Teague und Kollegen die Masse eines solchen hypothetischen Planeten auf zwischen 12 und 35 Erdmassen abschätzen. Ein kleinerer Planet hätte eine kleinere, ein massereicherer Planet eine größere Lücke erzeugt als tatsächlich beobachtet wurde.

Planetenentstehung in großer Entfernung?

Befindet sich in der Lücke kein Planet, dann könnte sie zumindest ein Zeichen dafür sein, dass dort gerade oder in absehbarer Zeit ein Planet entsteht: eine Instabilität, die Gas und Staub in bestimmten Regionen konzentriert und dabei aus benachbarten Regionen abzieht (und so Lücken erzeugen kann). Solch eine Instabilität böte gute Voraussetzungen für das Wachstum immer größerer Klumpen und damit für die Entstehung von Planeten.

Allerdings stellen beide Erklärungsmöglichkeiten, sowohl ein bestehender Planet als auch Instabilitäten, die heutigen Modelle der Planetenentstehung vor ein Probleme: Diesen Modellen zufolge sollten Planeten in so großer Entfernung vom Zentralstern nur in jüngeren und weitaus massereicheren Scheiben entstehen können als es die Scheibe um TW Hydrae ist.

Zukunftspläne

Die neuen Ergebnisse legen nahe, in welcher Form weiterbeobachtet werden sollte. Konkret für TW Hydrae bieten sich als nächste Schritte Beobachtungen von Spektrallinien spezifischer weiterer Moleküle an.

Diazenyl-Ionen (N2H+) beispielsweise werden im Kontakt mit CO rasch zerstört. Sie sind deswegen nur dort in großer Anzahl in einer Scheibe anzutreffen, wo sich das CO als Eis auf den Staubteilchen niedergeschlagen hat. Das spezifische Licht der Diazenyl-Ionen stammt daher aus Regionen tief in der Scheibe, die gut genug vom Sternenlicht abgeschirmt sind, dass CO unter diesem Umständen gefrieren kann.

Blausäure (HCN) ist umgekehrt gut geeignet, das Vorhandensein eines jungen Planeten anzuzeigen, der immer weiter Materie auf sich zieht und daher sehr heiß ist. In Anwesenheit eines solchen Planeten sollte HCN von den umgebenden Staubpartikeln verdampfen; so entsteht in HCN-Beobachtungen ein charakteristischer heller Fleck, der den Ort des Planeten anzeigt.

Wenn diese oder ähnliche Beobachtungen entweder die Anwesenheit eines Planeten oder Prozesse der Planetenentstehung in der TW Hydrae-Scheibe offenbaren, sind als nächstes diejenigen Forscher gefragt, die allgemeine Modelle für die Planetenentstehung um junge Sterne entwickeln – und damit tunlichst erklären können sollten, wie Planetenentstehung in der TW Hydrae-Scheibe in so großer Entfernung vom Zentralstern möglich ist.

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