SPHERE auf der Jagd nach Exoplaneten Revolutionäres Instrument liefert erste Bilder am ESO-Very Large Telescope

5. Juni 2014

Die Suche nach Planeten außerhalb unseres Sonnensystems und die Beantwortung der Fragen nach ihrer Entstehung und ihrer möglicherweise erdähnlichen Natur zählen zu den spannendsten Herausforderungen der modernen Astrophysik. Fast alle der mehr als 1000 bisher entdeckten Exoplaneten wurden jedoch nur indirekt nachgewiesen – direkte Bilder waren Mangelware. Mit SPHERE steht den Astronomen nun aber ein außergewöhnliches High-Tech-Instrument zur Verfügung, mit dem sich gezielt Aufnahmen von Exoplaneten und Staubscheiben neu entstehender Planetensysteme gewinnen lassen. Erste Bilder von SPHERE am Very Large Telescope (VLT) der Europäischen Südsternwarte (ESO) in Chile demonstrieren die enorme Leistungsfähigkeit des Instruments, das von zwölf Partnern entwickelt wurde – darunter auch das Max-Planck-Institut für Astronomie (MPIA) in Heidelberg als Co-PI-Institut.

Der direkte Bildnachweis von Exoplaneten und die wissenschaftliche Untersuchung neu entstehender Planetensysteme in Staubscheiben um andere Sterne zählen zu den größten Herausforderungen der beobachtenden Astronomie. Zum einen sind die Winkelabstände solcher Planeten von ihrem Mutterstern aufgrund ihrer großen Entfernung von uns extrem klein. Bereits in einer nach kosmischen Maßstäben geringen Entfernung von nur etwa 30 Lichtjahren (ca. 300 Billionen km) hätten ein Stern und ein Planet wie Sonne und Erde einen Winkelabstand von nur einer Zehntel Bogensekunde. Beide Himmelskörper als Einzelobjekte abzubilden entspricht der Aufgabe, zwei direkt nebeneinander platzierte Euromünzen aus einer Entfernung von etwa 40 Kilometern als Einzelmünzen auf einem Photo sichtbar zu machen. Doch die weit größere Herausforderung ist, diese Aufgabe sogar zu lösen, obwohl der Helligkeitskontrast zwischen beiden Objekten in die Millionen geht – d.h. man müsste in unserem Vergleich die beiden Münzen jeweils durch einen Flutlichtscheinwerfer und ein Glühwürmchen ersetzen.

Vor einigen Tagen wurden mit SPHERE (Spectro-Polarimetric High-contrast Exoplanet Research) am VLT der ESO auf dem Paranal-Observatorium in Chile die ersten Testbeobachtungen in den verschiedenen Betriebsmodi des Instruments durchgeführt. So gelang u.a. auf Anhieb eine ausgezeichnete Aufnahme vom Staubring um den nahen Stern HR 4796A. Die außergewöhnliche Klarheit des Rings illustriert auch, wie gut SPHERE das Leuchten des hellen Sterns in der Mitte des Bilds unterdrücken kann.

Markus Feldt vom Max-Planck-Institut für Astronomie in Heidelberg und Co-Projektleiter von SPHERE ist begeistert: »Bei einem derart komplizierten Zusammenspiel verschiedener Techniken müssen instrumentelle Artefakte mit höchster Sorgfalt herauskalibriert werden. Es ist umwerfend zu sehen, dass unser doch recht komplexer Satz an Hard- und Softwarewerkzeugen gleich beim ersten Versuch nahezu fehlerfrei funktioniert hat!«

Das Instrument, welches mit seinen drei Haupmessinstrumenten Polarimeter, Kamera und Feldspektrograph im Infrarotlicht arbeitet, vereint mehrere technische Verfahren, um den höchstmöglichen Kontrast bei der direkten Beobachtung von Exoplaneten und Staubscheiben um andere Sterne zu erzielen. Um so die Überstrahlung dieser leuchtschwachen Objekte in unmittelbarer Nähe des blendend hellen Sterns zu überwinden, kommt ein »Extremes adaptives Optiksystem« zum Einsatz, mit dem in Echtzeit die auflösungsmindernden Turbulenzen der Erdatmosphäre (z. B. das Sternfunkeln) korrigiert werden. Hinzu kommt ein Ensemble von Koronographen, mit denen das Licht des hellen Muttersterns abgeblendet wird. Schließlich wird noch eine als »Differentielle Bildgebung« bezeichnete Methode verwendet, um besonders schwache reale Strukturen (z. B. einen Exoplaneten) von restlichen Streulichteffekten besser zu trennen (siehe Fragen und Antworten).

SPHERE könnte die Erforschung von Exoplaneten und zirkumstellaren Scheiben revolutionieren. »Entscheidend für ein besseres Verständnis der Entstehung, Dynamik und Entwicklung von Planetensystemen ist, genau zu bestimmen, welche Massen bei Planeten vorkommen können, wie sich die Abstände von Planeten um ihren Mutterstern verteilen und mit der Zeit verändern, und welche Eigenschaften die Umlaufbahnen von Planeten haben«, so Thomas Henning, Direktor am MPIA und Co-I von SPHERE. Hier treffen Modellrechnungen konkrete Vorhersagen, die anhand von direkten Beobachtungen überprüft werden können – beispielweise über bevorzugte Abstände von ihrem Mutterstern, bei denen jupiterähnliche Gasplaneten gehäuft entstehen sollten. Und so sollen mit SPHERE u. a. große Gasriesen auf Umlaufbahnen um nahegelegene Sterne durch direkte Abbildung entdeckt und charakterisiert werden.

SPHERE war nach bestandener Abnahme im Dezember 2013 zunächst von Europa nach Chile verschifft und dann im Laufe des Mai 2014 am VLT-Hauptteleskop 3 »Melipal« installiert worden. Nach weiteren ausführlichen Tests wird SPHERE später im Jahr der astronomischen Gemeinschaft zugänglich gemacht.

Das SPHERE–Konsortium besteht aus zwölf großen europäischen Astrophysik-Instituten und weiteren Partnern. Leitendes Institut (PI-Institut) ist das Institut de Planétologie et d'Astrophysique de Grenoble (Frankreich) mit Jean-Luc Beuzit als PI und Markus Feldt vom MPIA als Co-PI.

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Hintergrundinformationen

SPHERE wurde von den folgenden Instituten entwickelt und gebaut:

  • Institut de Planétologie et d'Astrophysique de Grenoble
  • Max-Planck-Institut für Astronomie in Heidelberg
  • Laboratoire d'Astrophysique de Marseille
  • Laboratoire d'Etudes Spatiales et d'Instrumentation en Astrophysique de l'Observatoire de Paris
  • Laboratoire Lagrange in Nizza
  • ONERA
  • Observatoire de Genève
  • Istituto Nazionale di Astrofisica (koordiniert vom Osservatorio Astronomico di Padova)
  • Institut für Astronomie an der ETH Zürich
  • Astronomisches Institut der Universität Amsterdam
  • Netherlands Research School for Astronomy (NOVA-ASTRON)
  • Europäische Südsternwarte ESO


Pressemitteilung der ESO:

Deutsch: http://www.eso.org/public/germany/news/eso1417/
Englisch: http://www.eso.org/public/news/eso1417/

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Fragen und Antworten

Wie wurden Exoplaneten bisher entdeckt?

Die meisten derzeit bekannten Exoplaneten wurden durch indirekte Methoden nachgewiesen. Eine Möglichkeit besteht zum Beispiel darin, die Bewegung eines Sterns über längere Zeit genau zu vermessen. Pendelt der Stern um eine mittlere Position, ist dies ein Hinweis auf den gravitativen Einfluss eines (oder mehrerer) ihn umkreisenden Planeten.

Eine andere Messmethode ist sehr nützlich, wenn wir von der Erde aus gesehen genau auf die Bahnebene eines Planetensystems schauen. Dann lässt sich beobachten, wie Planeten aus unserer Sicht vor ihrem Stern entlang laufen und dabei dessen Helligkeit minimal verringern. Wir beobachten also etwas Ähnliches wie bei einem Venusdurchgang vor der Sonne oder bei einer Sonnenfinsternis durch den Mond. Wiederholen sich solche Mini-Finsternisse in regelmäßigen Abständen, ist der Umlauf eines Planeten um seinen Stern nachgewiesen.

Aufgrund der geschilderten Probleme hinsichtlich Auflösung und Kontrast sind Direktbilder von Planeten bislang nur in ganz wenigen Einzelfällen gelungen.


Wie funktioniert die Methode der »differentiellen Bildanalyse«?

Selbst nach Korrektur der Unschärfen durch die Turbulenzen in der Erdatmosphäre und nach Ausblenden des hellen Sternlichts durch den Koronographen (eine Art Blende) verbleibt auf den Aufnahmen noch eine geringe Menge an störendem Streulicht. In diesen Strukturen kann immer noch ein Planet versteckt bleiben. Macht man nun viele Einzelaufnahmen über einen bestimmten Zeitraum innerhalb einer Nacht – jeweils mit dem Stern in der Bildmitte –, erscheinen auf allen Aufnahmen diese Störmuster an gleicher Stelle. Rotiert aber während dieser Zeit der beobachtete Himmelsausschnitt, rotiert auch das Bild des Planeten um die Bildmitte. Durch geschicktes Kombinieren und voneinander Subtrahieren der Einzelbilder verschwinden die ortsfesten Störstrukturen und nur die tatsächlich vorhandenen Himmelsobjekte wie z. B. ein Planet nahe beim Stern treten deutlich hervor.

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