"Erstes Licht" eines neuen Spektrographen verspricht Einblicke in galaktische Archäologie, Ursprung der chemischen Elemente

12. Dezember 2022

Die ersten wissenschaftlichen Beobachtungen mit dem neuen Spektrographen WEAVE auf La Palma haben eindrucksvoll die Leistungsfähigkeit des Instruments demonstriert. Am Max-Planck-Institut für Astronomie, welches das Instrumentenprojekt mitfinanziert, freut sich Maria Bergemann darauf, WEAVE für systematische Studien zur Archäologie unserer Heimatgalaxie und für eine Durchmusterung der chemischen Elemente in unserer Galaxie einsetzen zu können.

WEAVE, ein neuer Spektrograph am 4,2-Meter-William-Herschel-Teleskop am Observatorio del Roque de los Muchachos auf La Palma, Kanarische Inseln, hat erste wissenschaftliche Daten ("first light", wörtlich "erstes Licht") geliefert. Das Akronym WEAVE steht für "William Herschel Telescope Enhanced Area Velocity Explorer".
Für das "erste Licht" wählte das Team die Galaxien NGC 7318a und NGC 7318b, die zu einer Galaxiengruppe namens Stephen's Quintet gehören, 280 Millionen Lichtjahre von der Erde entfernt im nördlichen Sternbild Pegasus. WEAVE hat Spektren für 547 Regionen in und um diese beiden wechselwirkenden Galaxien gemessen – für jede Region die regenbogenähnliche Zerlegung des Lichts in die verschiedenen Wellenlängen, aus der Astronom*innen Information über die Bewegung, chemische Zusammensetzung, Temperatur und Dichte der Materie gewinnen können, die das Licht erzeugt hat.
Mit Hilfe des so genannten Dopplereffekts – der Verschiebung der Wellenlänge von Licht zu einer etwas längeren oder etwas kürzeren Wellenlänge, je nachdem, wie schnell sich die Materie von uns weg oder auf uns zu bewegt – können die Astronomen für die anvisierten Raumregionen rund um die wechselwirkenden Galaxien die Bewegung des Gases in jenen Regionen rekonstruieren. Diese Informationen sollen verwendet werden, um die Details der Kollision der beiden Galaxien zu rekonstruieren.

Galaktische Archäologie mit hochgenauen Spektren

Maria Bergemann, Gruppenleiterin am Max-Planck-Institut für Astronomie (dem MPIA, das sich an der Finanzierung des Instruments beteiligt), freut sich darauf, mit WEAVE unsere Heimatgalaxie zu erforschen: die Milchstraße. Dabei ist insbesondere interessant, wie WEAVE bereits verfügbare Daten ergänzt:  Seit 2013 hat die Gaia-Mission der ESA die Astronomie revolutioniert, indem sie hochgenaue Positions- und Bewegungsdaten sowie niedrig aufgelöste Spektroskopie für Hunderte von Millionen von Objekten in unserer Galaxie geliefert hat. Damit wurde es möglich, die Struktur und Entwicklung unserer Heimatgalaxie so systematisch zu untersuchen wie nie zuvor. Durchmusterungen, wie sie mit WEAVE möglich sind, ergänzen die Gaia-Daten, indem sie hochauflösende Spektren liefern, also Spektren, in denen besonders feine Detais sichtbar sind. WEAVE ergänzt damit frühere Durchmusterungen dieser Art, etwa die Gaia-ESO-Durchmusterung, die sich auf den Südhimmel konzentriert hatte.
Maria Bergemann sagt: "Mit WEAVE können wir unsere Heimatgalaxie in einer ganz neuen Weise untersuchen. Insbesondere Regionen in der äußeren Scheibe und bestimmte Bereiche des Halos waren bisher mit keinem anderen vergleichbar großen Teleskop für spektroskopische Durchmusterungen dieser Art zugänglich." Neben der Mitarbeit am WEAVE-Programm zur Galaktischen Archäologie wird Bergemann die Daten von WEAVE auch nutzen, um den Ursprung der chemischen Elemente in unserer Heimatgalaxie zu untersuchen, die schwerer als Eisen sind. Für ein entsprechendes Forschungsprojekt hat sie kürzlich einen ERC Starting Grant erhalten.

Parallele Untersuchung mehrerer Objekte oder Regionen

Spektrografische Instrumente wie WEAVE liefern wichtige Informationen für die Astrophysik. WEAVE verfügt dabei über verschiedene Modi, in denen parallel zahlreiche Spektren unterschiedlicher Regionen oder Objekte aufgenommen werden können. In dem Modus, der für die "First Light"-Beobachtungen verwendet wurde, liefern 547 Glasfasern, von denen jede Licht aus einer bestimmten Region in den Spektrographen leitet, insgesamt ein "spektrales Bild" des zentralen Teils des Gesichtsfeldes des Teleskops.  Eine solche "Integralfeld"-Spektroskopie ist vergleichbar mit der Aufnahme eines gewöhnlichen Bildes, bei dem die Bildinformationen in einzelnen Pixeln enthalten sind – nur dass in diesem Fall jedes einzelne Pixel ein komplettes Spektrum vom Ultraviolett bis zum nahen Infrarot enthält!
Im Modus "Multi-Objekt-Spektroskopie" dagegen wird jede Glasfaser auf einem anderen Objekt im Sichtfeld platziert, so dass insgesamt bis zu 960 einzelne Spektren aufgenommen werden können. Mit diesem Modus könnten beispielsweise hochauflösende Aufnahmen von 960 verschiedenen Sternen gemacht werden, die im Sichtfeld des Teleskops sichtbar sind. Der dritte Modus verwendet bis zu 20 Bündel, wobei jedes Bündel aus 37 Fasern besteht und spektroskopische Informationen für einen kleinen Bereich innerhalb des Sichtfeldes liefert.

Hintergrundinformationen

WAVE wird von der Isaac Newton Group of Telescopes (ING) betrieben. Das Instrument wurde von einem Konsortium europäischer astronomischer Einrichtungen unter der Leitung des UK Science and Technology Facilities Council als spektroskopisches Instrument der nächsten Generation für das William Herschel Telescope auf La Palma gebaut. Das Max-Planck-Institut für Astronomie ist eine von mehr als 20 Institutionen, die WEAVE finanzieren. 

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