Astronomen trauern um Hans Elsässer

Der Gründungsdirektor des Max-Planck-Instituts für Astronomie starb im Alter von 74 Jahren

14. Juni 2003

Die Heidelberger Astronomen und ihre Freunde trauern um Professor Hans Elsässer, den Gründungsdirektor und langjährigen Leiter des Max-Planck-Instituts für Astronomie (MPIA) auf dem Königstuhl. Sein Werk ist die Konzeption und Verwirklichung einer Einrichtung, die heute in weltweiter Zusammenarbeit an der vordersten Front der Forschung wirkt und hohes internationales Ansehen genießt.

Als Hans Elsässer 1962, nach seiner Habilitation in Göttingen, zum Ordinarius für Astronomie an der Universität Heidelberg und zum Direktor der Landessternwarte berufen wurde, lagen die Dinge noch ganz anders: Der 72-cm-Reflektor auf dem Königstuhl, Baujahr 1906, war damals das zweitgrößte Teleskop in der Bundesrepublik, für zeitgemäße astronomische Forschung fehlten die elementarsten technischen Voraussetzungen. An der stürmischen Entwicklung der beobachtenden Astronomie, die in den sechziger Jahren in der Bundesrepublik einsetzte, hatte Elsässer maßgeblichen Anteil. Ihm gelang es, die damals besonders günstige forschungspolitische Lage für die Astronomie zu nutzen: 1967 beschloss der Senat der Max-Planck-Gesellschaft die Gründung eines Astronomie-Institutes (MPIA) und berief Elsässer zu dessen geschäftsführendem Direktor. Im Jahre 1969 wurde die Gründung vollzogen, im Herbst 1984 kam der Aufbau des Instituts auf dem Königstuhl mit seiner Außenstelle in Andalusien, dem Deutsch-Spanischen Astronomischen Zentrum auf dem Calar Alto, zum Abschluss. Dort wurde nach fünfzehnjähriger Planungs- und Bauzeit das letzte und größte der für das neue Observatorium vorgesehenen Instrumente, das 3.5-m-Teleskop, in Betrieb genommen. Seither steht, erstmals seit vielen Jahrzehnten, ein Instrumentarium bereit, das allen deutschen Astronomen die Forschung an vorderster Front wieder möglich macht.

Gemäß dem ursprünglichen Konzept für das neue Forschungszentrum sollte neben dem auf dem Calar Alto verwirklichten Observatorium zur Erforschung des nördlichen Sternhimmels eine zweite Station auf der Südhalbkugel entstehen. Es wurde dafür auch ein geeigneter Standort gesucht und auf dem 2350 Meter hohen Gamsberg im heutigen Namibia gefunden. Allerdings waren damals die politischen Umstände für den Ausbau eines großen Observatoriums im ehemaligen Südwest-Afrika nicht günstig, sodass dieser Teil des Projekts bis heute nicht verwirklicht werden konnte. Aber mittlerweile ist das MPIA an der instrumentellen Ausstattung und wissenschaftlichen Nutzung der vier 8-Meter-Teleskope der Europäischen Südsternwarte (ESO) in den Chilenischen Anden maßgeblich beteiligt.

In seiner Rolle als treibende Kraft beim Aufbau der Großforschungsanlagen auf dem Königstuhl und in Südspanien hat Hans Elsässer sich von seinen eigenen, breit gefächerten wissenschaftlichen Interessen leiten lassen. Die Stichworte: Interstellare Materie, Sternentstehung, Aktive Galaxien, großräumige Struktur des Kosmos kennzeichnen das Feld der nach wie vor auf dem Königstuhl betriebenen Forschung – heute unter der Leitung der Direktoren Thomas Henning und Hans-Walter Rix. Dabei werden nicht nur die weltweit größten bodengebundenen Teleskope eingesetzt, sondern auch (in internationalen Kollaborationen) satellitengetragene Instrumente der extraterrestrischen Forschung.

Elsässer wirkte, weit über den Königstuhl hinaus, in den Entscheidungsgremien der Max-Planck-Gesellschaft und in der Forschungspolitik der Bundesrepublik. Seine Vision einer nach vielen Jahrzehnten des Brachliegens erneuerten astronomischen Forschung in Deutschland konnte er während seiner 35-jährigen aktiven Zeit in maßgeblicher Funktion in wesentlichen Teilen verwirklicht sehen. Eine wichtige Rolle spielte er auch nach 1989 bei der Neuordnung der Forschungseinrichtungen in den neuen Bundesländern.

Neben dieser Fülle an wissenschaftlicher und wissenschaftspolitischer Aktivität war sich Elsässer der „Bringschuld der Wissenschaft“ gegenüber der Öffentlichkeit stets bewusst: Das bezeugen seine umfangreichen Lehrbücher, seine zahlreichen populärwissenschaftlichen Vorträge und Schriften, und die monatlich auf dem Königstuhl herausgegebene Zeitschrift »Sterne und Weltraum«, die er schon 1962 mitbegründet und bis zu seinem Tode mitherausgegeben hat. Wer das Glück hatte, im Kreise seiner zahlreichen Mitarbeiter und Schüler mit ihm zu arbeiten, der konnte erkennen, welches Maß an Energie und Beharrlichkeit, Weitblick und Menschenkenntnis erforderlich ist, um weit über das eigene Arbeitsfeld hinaus so fruchtbar zu wirken.

Jakob Staude


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