Die seltsame Form des hellsten Sterns in unserer Galaxis

Das erste Bild mit dem VLT-Interferometer

19. November 2003

Einer internationalen Gruppe von Wissenschaftlern unter Beteiligung des Max-Planck-Instituts für Astronomie in Heidelberg [1] gelang es erstmals, die äußere Hülle von Eta Carinae, einem der hellsten und aktivsten Sterne in unserer Galaxis, räumlich aufzulösen. Die am Very Large Telescope der Europäischen Südsternwarte in Chile durchgeführten Messungen zeigen, dass diese Hülle deutlich von der für Sterne typischen Kugelform abweicht –sie ist stark in Richtung der Pole elongiert. Die hohe Leuchtkraft von Eta Carinae bewirkt, dass dieser Hülle pro Tag etwa eine Erdmasse in Form eines schnellen Sternwindes verloren geht. Die neuen Beobachtungen tragen zum besseren Verständnis der Endphase im Leben massereicher Sterne und der sie umgebenden interstellaren Materie bei.

Eta Carinae ist einer der hellsten und aktivsten Sterne unserer Milchstraße. Der Stern ist etwa 100-mal so massereich und etwa 5 Millionen mal so leuchtkräftig wie die Sonne, und befindet sich in der Endphase seiner rasanten Entwicklung –seine Lebenserwartung beträgt insgesamt zwei bis drei Millionen Jahre, sie ist mehr als tausendmal geringer als die der Sonne. Eingebettet in ein Sternentstehungsgebiet im südlichen Sternbild Carina in einer Entfernung von 7500 Lichtjahren, hat er seit mehr als 160 Jahren das Interesse der Astronomen beansprucht. Im Jahre 1841 wurde ein heftiger Helligkeitsausbruch beobachtet –Eta Carinae erschien kurzzeitig als der zweithellste Stern am Südhimmel (nur der Sonnennachbar Sirius erscheint noch heller). Danach nahm die Helligkeit wieder ab, und Eta Carinae ist heute deutlich schwächer als zuvor. Ursache für diese starke Helligkeitsabnahme ist die beim Ausbruch herausgeschleuderte Materie, die sich zum Teil vor den Stern schob und ihn verdunkelt.

Über die letzten beiden Jahre hinweg wurde Eta Carinae wiederholt mit den im Infraroten arbeitenden Instrumenten NACO und VINCI am Very Large Telescope (VLT) der Europäischen Südsternwarte beobachtet. NACO (Kurzform für NAOS-CONICA) ist eine Kombination aus einem in Frankreich gebauten Instrument zur adaptiven Optik (NAOS) und der unter Führung des Max-Planck-Instituts für Astronomie (MPIA) in Heidelberg gebauten Infrarotkamera CONICA. NACO ist am vierten 8-m-Teleskop des VLT installiert und wurde verwendet, um die unmittelbare Umgebung von Eta Carinae mit einer etwa 10-mal höheren räumlichen Auflösung zu untersuchen, als das mit herkömmlichen, durch die Luftunruhe begrenzten Aufnahmen möglich gewesen wäre. VINCI ist Teil des VLT-Interferometers und kombiniert das Licht zweier beliebiger Teleskope mit dem Ziel, eine noch höhere Winkelauflösung zu erreichen. Für die Beobachtungen von Eta Carinae wurde VINCI mit dem Licht zweier VLT-Siderostaten mit einem Durchmesser von jeweils 35cm gespeist. Die beiden Siderostaten befanden sich in Abständen zwischen 16 Metern und 62 Metern, und lieferten so eine Auflösung, die noch einmal um einen Faktor 10 über dem Auflösungsvermögen von NACO lag. Auf diese Weise konnten Strukturen in der Größenordnung von 10 Astronomischen Einheiten (vergleichbar mit dem Durchmesser der Jupiterbahn) untersucht werden.

Die Beobachtungen mit CONICA unter der Leitung von Tom Herbst vom MPIA hatten eine detailierte Studie der interstellaren Materie in der unmittelbaren Umgebung um Eta Carinae zum Ziel. Neben einigen schon bekannten Materiekondensationen konnten weitere neue Strukturen identifiziert werden. Fast 40 Prozent der gesamten Emission innerhalb der zentralen 1.4 Bogensekunden erreichen uns auf indirektem Wege als Streulicht von diversen Materiekondensationen und diffuser Materie. Die restliche Strahlung stammt direkt von der mit NACO nicht aufgelösten zentralen Quelle.

Die Beobachtungen mit VINCI am VLT-Interferometer wurden von Astronomen der Europäischen Südsternwarte in Zusammenarbeit mit Kollegen der astronomischen Institute der Universitäten in Amsterdam (Niederlande), Leuven (Belgien) und Pittsburgh (USA) durchgeführt und ausgewertet [2]. »Mit VINCI führen wir zu jedem Zeitpunkt nur eine eindimensionale Messung durch. Erst durch die Kombination von zu verschiedenen Zeitpunkten und mit unterschiedlichen Konfigurationen des VLT-Interferometers aufgenommenen Daten lässt sich ein zweidimensionales Bild rekonstruieren« erklärt Alex de Koter, Mitautor des in der Fachzeitschrift Astronomy & Astrophysics erscheinenden Artikels über diese Messungen. Aufgrund der VINCI-Daten ist es nun erstmals möglich, die äußerste Hülle von Eta Carinae räumlich aufzulösen. Die Hülle erscheint stark in Richtung der Pole elongiert: Das Achsenverhältnis von großer zu kleiner Achse beträgt etwa 1.5, der mittlere Durchmesser beträgt etwa 15 Astronomischen Einheiten. Bei dieser äußersten Hülle handelt es sich höchstwahrscheinlich um die Grenzschicht, in welcher der von Eta Carinae ausgehende vollständig ionisierte Sternwind optisch durchlässig wird.




Die Elongation der Hülle entlang der Pole, also parallel zur Rotationsachse des Sterns, erscheint zunächst überraschend. Aber es gibt bereits eine Erklärung: Nach Modellrechnungen des Astrophysikers Stan Owocki von der University of Delaware (USA) bildet ein schnell rotierender massereicher, heißer Stern einen äquatorialen Wulst und flacht zu seinen Polen hin ab. Die Polregionen liegen dadurch näher an der zentralen Region des Sterns, in der die Wasserstofffusion stattfindet, und werden stärker aufgeheizt als die äquatornahen Regionen. Die daraus resultierende höhere Leuchtkraft der Polregionen führt zu intensiveren Sternwinden als am Äquator, und somit erscheint die äußerste Hülle von Eta Carinae entlang der Pole elongiert.

Von der großen Leuchtkraft von Eta Carinae getrieben, geht dieser Hülle pro Tag etwa eine Erdmasse in Form des Sternwindes verloren. Unter Beibehaltung des derzeitigen Massenverlustes würde sich Eta Carinae innerhalb von 100 000 Jahren vollständig auflösen. Die Astronomen erwarten jedoch, dass Eta Carinae schon deutlich früher in einer Supernova-Explosion enden wird. Die neuen Beobachtungen tragen zum besseren Verständnis der Geometrie und des inneren Aufbaus massereicher Sterne in der Endphase ihrer Entwicklung bei und erklären die komplexe Struktur und Dynamik der sie umgebenden interstellaren Materie.

[1] Roy van Boekel, Alex de Koter, Rens Waters (Universität Amsterdam, Niederlande), Pierre Kevela, Markus Schöller, Francesco Paresce (ESO), Tom Herbst, Rainer Lenzen, Wolfgang Brandner (MPIA), D. Hillier (Univ. of Pittsburgh, USA), Anne-Marie Lagrange (Obs. de Grenoble, Frankreich)
[2] Siehe auch ESO Press release 31/03

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