Das Large Binocular Telescope

Einweihung des größten Teleskops der Welt

21. September 2004

Deutsche Institute unter der Federführung des Max-Planck-Instituts für Astronomie in Heidelberg maßgeblich beteiligt

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Am 16. Oktober wird das weltweit größte Einzelteleskop der Öffentlichkeit vorgestellt. Das gänzlich neuartige Instrument verfügt über zwei riesige Sammelspiegel mit jeweils 8,4 Metern Durchmesser, die, auf einer gemeinsamen Montierung installiert, gleichzeitig auf ferne Himmelskörper ausgerichtet werden, ähnlich wie bei einem Feldstecher. Daher der Name Large Binocular Telescope (LBT). Das 120 Millionen Dollar teure Observatorium steht auf dem 3190 Meter hohen Mount Graham in Arizona.

Das LBT wurde von einem internationalen Konsortium geplant und gebaut: Fünf deutsche Institute unter der Leitung des Max-Planck-Instituts für Astronomie (MPIA) in Heidelberg sind zu einem Viertel beteiligt. Ihr Beitrag zur Realisierung des LBT konzentriert sich auf die technologisch anspruchsvollsten Entwicklungen im Bereich der Ausrüstung des Teleskops mit neuen Messgeräten. Die dabei gesammelten zukunftsweisenden Erfahrungen auf technologischem Neuland werden bei der Realisierung der Teleskope der nächsten Generation eine entscheidende Rolle spielen.

»Damit sichern wir uns ein Viertel der gesamten Beobachtungszeit an diesem einzigartigen Teleskop der Superlative«, erklärt Dr. Thomas Herbst vom MPIA, der Projektwissenschaftler des LBT in Deutschland.

An der Eröffnungsfeier werden hochrangige Vertreter aus Wissenschaft und Politik teilnehmen.



Riesenfeldstecher in luftiger Höhe
Das LBT entstand innerhalb von acht Jahren auf dem 3190 m hohen Mount Graham, wo die Astronomen ideale Bedingungen vorfinden. Hier stören weder die Lichter einer Großstadt, noch Wasserdampf oder Staub in der Atmosphäre die Beobachtungen, die Astronomen können pro Jahr mit bis zu 250 klaren Nächten rechnen. Der Berg ist den deutschen Astronomen nicht unbekannt. Anfang der 1980er Jahre errichteten dort die Universität von Arizona in Tucson und das Max-Planck-Institut für Radioastronomie in Bonn gemeinsam das »Heinrich-Hertz-Teleskop«, das im Submillimeter-Wellenbereich, am kurzwelligen Ende des Radiospektrums, arbeitet. Unweit davon steht auch das Vatican Advanced Technology Telescope. Die Erbauer des LBT konnten daher die bereits bestehende Infrastruktur, insbesondere den Zufahrtsweg, nutzen.

Mit dem LBT wurde eine weltweit einzigartige Konstruktion realisiert. Für die Astronomen ist die gesamte lichtsammelnde Spiegelfläche eines Teleskops von entscheidender Bedeutung: Je größer sie ist, desto lichtschwächere Objekte lassen sich nachweisen und untersuchen. Die beiden LBT-Spiegel besitzen einen Durchmesser von jeweils 8,4 Metern. Zusammen spannen sie eine Fläche von 110 Quadratmetern auf und erzielen die Leistungsstärke eines einzelnen 12-Meter-Spiegels und die Bildschärfe eines einzelnen 23-Meter-Spiegels (ein solcher gigantischer Einzelspiegel ist heute allerdings noch nicht realisierbar). Mit dem LBT ließe sich das Licht einer brennenden Kerze noch in 2,5 Millionen Kilometer Entfernung – entsprechend dem sechsfachen Abstand Erde-Mond – nachweisen.

Die beiden in Tucson hergestellten Hauptspiegel sind nicht massiv: Ihr Spiegelkörper ist im wesentlichen hohl, er besteht aus einem Wabenmuster von Glasstäben. Damit wird eine Minimierung des Gewichts bei hoher Steifigkeit erreicht. Die Oberflächen der Spiegel sind bis auf 20 Nanometer (20 Millionstel Millimeter) genau poliert. Denkt man sich einen solchen Spiegel auf die Ausdehnung Berlins vergrößert (Durchmesser etwa 35 Kilometer), so wäre auf seiner Oberfläche keine Abweichung von der Sollform größer als ein Zehntel Millimeter.

Ein herkömmlicher 8-Meter-Spiegel würde 100 Tonnen wiegen, die beiden LBT-Spiegel bringen nur je 15,6 Tonnen auf die Waage. Dadurch ließ sich auch das Gewicht der Montierung des Teleskops, welche die Spiegel trägt und bewegt, in einem handhabbaren Rahmen halten. Das insgesamt 850 Tonnen schwere Teleskop, dessen mechanische Teile in Italien gefertigt wurden, wird hydraulisch auf einem dünnen Ölfilm bewegt und lässt sich mit höchster Präzision auf jeden Himmelskörper ausrichten und seiner scheinbaren täglichen Bewegung nachführen.

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Wissenschaftliche Instrumente »made in Germany«
»Grundsätzlich gilt: Jedes Teleskop ist bestenfalls so gut wie seine Instrumente, die das Licht empfangen und aufzeichnen«, sagt Thomas Henning, Direktor am MPIA. Vergleicht man die beiden Spiegel des LBT mit dem menschlichen Auge, so entsprechen die Kameras und Spektrographen der Netzhaut: Genau in diesem Bereich konnten das MPIA und die anderen deutschen Institute ihr Know-how einbringen.

Der gigantische Feldstecher wird mit Hilfe zweier sogenannter Leiteinrichtungen gesteuert. Sie sagen dem Teleskop nicht nur, wohin es sich bewegen muss, um ein bestimmtes astronomisches Objekt aufs Korn zu nehmen, sondern sie sorgen mit Hilfe eines Leitsterns auch für die korrekte Nachführung des Teleskops, wenn das Objekt am scheinbar sich drehenden Himmelszelt längere Zeit mit höchster Präzision verfolgt werden soll. Das Licht des Leitsterns wird auch genutzt, um die Verformung des aktiv unterstützten Hauptspiegels ständig festzustellen und zu korrigieren, sodass er in jeder Lage des Teleskops in seiner idealen Form gehalten werden kann. Diese beiden »Acquisition, Guiding- and Wavefront-sensing units« (AGW) werden am Astrophysikalischen Institut Potsdam (AIP) gebaut, mit Beiträgen von INAF-Arcetri, von der Landessternwarte Heidelberg und vom MPIA.

Am 16. Oktober wird das LBT noch nicht beide Augen öffnen. Anfänglich werden die Astronomen nur mit einem Spiegel beobachten, wobei ihnen zunächst eine Primärfokus-Kamera und danach ein Spektrograph mit dem Namen Lucifer 1 zur Verfügung stehen werden. Dieser Spektrograph und sein Zwilling LUCIFER 2 entstehen unter der Leitung der Landessternwarte Heidelberg. Am Max-Planck-Institut für extraterrestrische Physik (MPE) in Garching werden wesentliche Teile der Optik gebaut, das MPIA lieferte das Detektorpaket und entwickelte das Konzept für die Kühlung. Weitere Beiträge stammen von der Ruhr-Universität Bochum und von der Fachhochschule Mannheim. Das gesamte Instrument wird in den Labors des MPIA getestet und zusammengebaut.

LUCIFER 1 wird Ende 2005 fertig sein und am Teleskop in Betrieb gehen. Zu diesen Instrumenten wird sich später noch ein hochauflösender Spektrograph namens PEPSI gesellen, der zur Zeit am Astrophysikalischen Institut Potsdam gebaut wird. In Kombination mit dem LBT wird PEPSI der weltweit leistungsfähigste Spektrograph seiner Bauart sein. Zwei Zirkular- und Linearpolarimeter sowie zwei permanente Fokalstationen füttern den Spektrographen über insgesamt 16 Glasfaserkabel. PEPSI wird im gesamten Wellenlängenbereich vom Ultravioletten bis zum Infraroten mit höchster spektraler Auflösung einsetzbar sein. Sehr helle Sterne können von PEPSI im hochauflösenden Modus auch am Tage beobachtet werden! Die Polarimeter erlauben Magnetfeldmessungen an hellen Sternen bis hin zu Quasaren mit einer Helligkeit der 21. Größe.

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Wissenschaftliche Instrumente »made in Germany«
Ende 2005 soll auch der zweite Hauptspiegel installiert werden – damit wird das LBT seine volle Lichtstärke erhalten. Eine weitere Ausbaustufe soll Ende 2006 erreicht werden, wenn das am Heidelberger MPIA gebaute Instrument LINC-NIRVANA installiert wird. Dieses Gerät führt das von den beiden Spiegeln gesammelte Licht mit höchster Präzision in einer gemeinsamen Brennebene zusammen und überlagert es zu einem so genannten Interferogramm. Auf diese Weise ist es theoretisch möglich, Bilder von einer Schärfe zu erhalten, wie sie sonst nur ein 23-Meter-Spiegel liefern könnte (dieses Maß entspricht dem größten Abstand der beiden Außenränder der Spiegel). Um diese Bildschärfe tatsächlich auch in der Praxis zu erreichen, müssen allerdings die durch Turbulenzen entlang des Lichtweges durch die Erdatmosphäre erzeugten Bildstörungen während der Messung möglichst vollständig kompensiert werden.

»Mit diesem Schritt erreicht das LBT eine bis zu zehnmal so hohe Bildschärfe wie das Weltraumteleskop Hubble«, so Hans-Walter Rix, Direktor am MPIA in Heidelberg.

Unter allen für das LBT entwickelten Instrumenten ist LINC-NIRVANA das ambitionierteste Vorhaben. Es kombiniert zwei optische Verfahren, deren ineinandergreifende Funktionen schrittweise ausgebaut und erprobt werden. Mit diesem Instrument wird experimentelles Neuland betreten mit dem Ziel, dem theoretischen Auflösungsvermögen des Doppelspiegels auch in der Praxis immer näher zu kommen.

LINC, die »LBT Interferometric Camera«, hat die Aufgabe, die Lichtbündel der beiden Hauptspiegel zusammenzuführen und in einer gemeinsamen Brennebene abzubilden. Dies erfordert äußerste Präzision, weil die beiden Lichtwege exakt gleich lang sein müssen. NIRVANA (»Near-Infra-Red Visible Adaptive Interferometer for Astronomy«) sorgt für die Beseitigung der Bildstörungen, die durch die turbulenten Bewegungen der Luft oberhalb des Teleskops entstehen. Nur damit erreicht das Doppelteleskop seine überragende räumliche Auflösung.

Zunächst werden die Komponenten von LINC-NIRVANA im MPIA auf einer großen optischen Bank getestet. Wenn das Instrument Ende 2006 am LBT seine Arbeit aufnimmt, wird sich der Teil, der die eigentliche Kamera enthält, im Innern einer großen »Thermoskanne« befinden: Dieser Teil des Instruments wird bis auf 77 Kelvin (minus 196 Grad Celsius) gekühlt. Dies ist nötig, weil die Detektoren im infraroten Spektralbereich für Licht von etwa zwei Mikrometern Wellenlänge empfindlich sind. Würde man das Gerät nicht kühlen, so würde seine eigene, im Infraroten abgegebene Wärmestrahlung die Detektoren blenden. Diese Kühlung bedeutet eine zusätzliche technologische Komplikation beim Bau von LINC, denn alle mechanischen (beweglichen!), elektronischen und optischen Komponenten müssen bei den tiefen Temperaturen präzise und      fehlerfrei arbeiten. Auf diesem Gebiet der »Kryotechnologie« haben sich die Wissenschaftler und Techniker am MPIA – nicht zuletzt im Rahmen ihrer Beteiligung an großen wissenschaftlichen Weltraumprojekten – eine hervorragende Kompetenz erworben.

Als Detektor verwenden die Astronomen ein 4 cm ´ 4 cm großes Infrarot-Array mit vier Millionen Bildelementen (4 Megapixel). Solche CCD-ähnlichen Empfänger, die im Infraroten hochempfindlich sind, werden exklusiv für astronomische Anwendungen entwickelt. Sie sind entfernte Verwandte der für den sichtbaren Bereich des Lichtes in Digitalkameras verwendeteten Detektoren.

Interferometrie, wie die Technik der Strahlzusammenführung genannt wird, praktizieren Europas Astronomen neuerdings erfolgreich am Very Large Telescope (VLT) der Europäischen Südsternwarte (ESO) in Chile. Dort ist kürzlich erstmals die interferometrische Zusammenschaltung von zwei der vier einzelnen 8,2-Meter-Teleskope gelungen.

Wegen seiner eigenwilligen Konstruktion wird mit dem LBT aber eine Variante (die so genannte Fizeau-Interferometrie) möglich sein, die gegenüber dem in Chile realisierten Pendant auf bestimmten Feldern wichtige Vorteile besitzt. Insbesondere ist das Bildfeld des LBT um ein Vielfaches größer als beim VLT. Die Astronomen des MPIA rechnen mit einem Bildfeld von 10 Bogensekunden Durchmesser. Das entspricht etwa dem scheinbaren Durchmesser des Planeten Saturn oder einem Hundertstel des Vollmonddurchmessers. In diesem Feld lassen sich dann Details bis zu einer hundertstel Bogensekunde erkennen. Damit ließe sich auf dem Mond noch ein 20 Meter großer Fels ausmachen.

Neben dem Strahlvereiniger und der Infrarotkamera verfügt LINC-NIRVANA über eine dritte, ganz entscheidende Komponente: die adaptive Optik. Sie verleiht dem LBT »Weltraumqualität.«

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Astronomen überlisten mit adaptiver Optik die Atmosphäre
Alle am Erdboden aufgestellten Teleskope kämpfen, unabhängig von ihrer Größe, gegen einen gemeinsamen Feind: die Atmosphäre. Sie ist ständig in Bewegung, denn warme Luftschichten steigen auf, kalte sinken ab. Es bilden sich Luftzellen, die sich wie riesige natürliche Linsen über dem Teleskop bewegen. Man stelle sich nun das Licht eines weit entfernten Sterns als eine ebene Wellenfront vor, die im Universum vielleicht Milliarden von Lichtjahren ungestört zurückgelegt hat. Taucht sie am allerletzten Ende ihrer Reise in diese turbulente Atmosphäre ein, so wird sie regellos »verbogen« und weist bei der Ankunft im Teleskop schnell veränderliche »Berge und Täler« mit einer Höhe von einigen Mikrometern auf: das Bild des Sterns wird verformt und tanzt in der Brennebene unablässig hin und her. Mit dem bloßen Auge erkennt man diesen Effekte als das typische Blinken eines Sterns. Bei astronomischen Aufnahmen führt er zu einem verwaschenen Bild.

Mit einer adaptiven Optik lässt sich diese Störung bereits während der Aufnahme korrigieren: Die »verbogenen« Wellen werden innerhalb der Messanordnung – noch vor Erreichen des Detektors – wieder gerade gebogen. Dies geschieht, indem man das vom Teleskop eingefangene Licht auf einen dünnen, flexiblen Spiegel lenkt, dem laufend genau das gleiche Muster der einfallenden, gestörten Welle, aber mit halber Höhe der »Berge und Täler« aufgeprägt wird. Nach der Reflexion ist die Lichtwelle dann wieder eben, und auf dem Detektor entsteht das unverzerrte, unverwaschene Bild.

Um dieses Konzept zu realisieren, ist es erforderlich, die augenblickliche Verzerrung der Wellenfront zu bestimmen und den adaptiven Spiegel dementsprechend zu verformen. Hierfür wird das vom Hauptspiegel kommende Licht eines Sterns mit einem Strahlteiler in zwei Lichtbündel aufgespalten. Während das eine Lichtbündel der Analyse der Wellenfront dient, fällt das andere auf den adaptiven (d.h. anpassungsfähigen) Spiegel, wird dort reflektiert (und dabei korrigiert) und gelangt auf den Detektor. Die Verformung des adaptiven Spiegels entsprechend der aktuellen Verformung der einfallenden Welle erfolgt innerhalb kürzester Zeit über kleine Stellelemente auf dessen Rückseite. Adaptiver Spiegel und Wellenfrontsensor bilden über einen schnellen Rechner einen geschlossenen Regelkreis.

Die Anforderungen an das optische System von LINC-NIRVANA am LBT sind enorm. Das Instrument verfügt über zwei Wellenfrontsensoren in jedem der beiden Kanäle, die das von den beiden Hauptspiegeln gesammelte Licht analysieren. Um eine wirklich unverwackelte Aufnahme zu erhalten, muss die Form der adaptiven Spiegel der eintreffenden Lichtwelle tausend bis zweitausend Mal pro Sekunde neu angepasst werden. Das bedeutet höchste Anforderungen an den Wellenfrontanalysator, den Computer und die optomechanischen Komponenten des Systems.

Erst die Technik der adaptiven Optik ermöglicht es, die maximale Abbildungsschärfe des Teleskops in der Praxis zu erreichen. Voraussetzung hierfür ist allerdings ein Stern, dessen Licht innerhalb des Regelkreises als Referenz dienen kann. Die adaptive Korrektur wirkt dann allerdings nur in einem verhältnismäßig engen Bereich von höchstens 10 Bogensekunden um diesen Bezugsstern herum. Weiter außen weicht die Verzerrung der Wellenfront von der am Referenzstern gemessenen ab und lässt sich daher nicht mehr korrigieren: Dort wird die Abbildung unscharf. Das Bildfeld des LBT ist aber wesentlich größer. Um Referenzsterne im gesamten Bildfeld zur Korrektur  der Wellenfront nutzen zu können, arbeiten die Astronomen des MPIA derzeit an einer Weiterentwicklung, der so genannten multikonjugierten adaptiven Optik (MCAO).

Dieses neue Verfahren soll in LINC-NIRVANA schrittweise erprobt und entwickelt werden. Bei der MCAO wird das Licht von bis zu 20 Sternen im gesamten Bildfeld analysiert. Daraus wird die Korrektur des gesamten Feldes mittels adaptiver Spiegel abgeleitet. Allein für die Wellenfrontanalyse werden insgesamt vier CCD-Kameras benötigt, und vier adaptive Spiegel korrigieren das Bild.

Für die Entwicklung dieses weltweit einzigartigen adaptiv-optischen Systems hat das MPIA Roberto Ragazzoni, einen Spitzenwissenschaftler vom Astrophysikalischen Observatorium Arcetri bei Florenz nach Heidelberg eingeladen. Ragazzoni hatte von der Alexander von Humboldt-Stiftung im Rahmen des Zukunftsinvestitionsprogramms der Bundesregierung den mit zwei Millionen Euro dotierten Wolfgang-Paul-Preis erhalten. Mit der Preissumme baute der italienische Astronom in den Jahren 2001 bis 2003 am MPIA ein Team auf, das sich mit adaptiver Optik für das LBT beschäftigt.

Wenn alles nach Plan verläuft, wird die Entwicklung und Implementierung der multikonjugierten adaptiven Optik in LINC-NIRVANA im Laufe des Jahres 2007 zum Abschluss kommen. Dann wird das LBT seine volle Leistungsfähigkeit erreicht haben. Galaxien am Rande der Welt, die mit dem Hubble Space Telescope gerade noch als solche erkennbar sind, werden sich dann im Detail studieren lassen. Planeten, die andere Sterne als unsere Sonne umkreisen, werden wir an den winzigen periodischen Verschiebungen erkennen, die sie bei ihren Zentralsternen auslösen. Möglicherweise werden sie sich sogar abbilden und genauer charakterisieren lassen.

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Jagd auf die ersten Sterne und Galaxien und auf extrasolare Planeten
Mit ihrer 25-prozentigen finanziellen Beteiligung am LBT sichern sich die Astronomen der fünf deutschen Institute ein Viertel der Beobachtungszeit an diesem Teleskop. »Das gibt uns die Möglichkeit, auch einmal experimentelle Programme auszuführen, für die man uns vielleicht an anderen Observatorien keine Beobachtungszeit genehmigt hätte«, erklärt Thomas Henning. Zwar wird das LBT ein Allround-Instrument sein, mit dem sich praktisch jede aktuelle astrophysikalische Fragestellung angehen lässt. Doch die Forscher des MPIA haben einige Vorlieben.

Da ist zum einen die Jagd nach den ersten Sternen im Universum. »Nach dem Urknall war es im Weltall zunächst einmal dunkel«, erklärt Hans-Walter Rix. Doch irgendwann entstanden die ersten Sterne, die Urahnen unserer Sonne. Wann dies geschah, wann es also im heutigen Sinne Licht wurde, ist ungewiss – möglicherweise etwa hundert Millionen Jahre nach dem Urknall. Auch über die Eigenschaften dieser ersten Sterne lässt sich zur Zeit nur spekulieren. Auf jeden Fall müssen die Sterne der ersten Generation rund 14 Milliarden Lichtjahre von uns entfernt sein. Die Wellen des einst von ihnen ausgesandte Lichts wurden auf ihrer langen Reise bis zu uns durch die Expansion des Universums extrem gedehnt, so dass ursprünglich ultraviolettes Licht bei uns als Infrarotlicht eintrifft. Dies ist einer der Gründe, warum der Arbeitsschwerpunkt des LBT in diesem Wellenlängenbereich liegen wird. »Es ist unser Traum, diese erste Sterngeneration zu beobachten und zu analysieren. Mit dem LBT haben wir hierfür eine Chance«, so Rix.

Auf welche Weise haben sich Galaxien wie unser Milchstraßensystem gebildet und wie haben sie sich weiter entwickelt? Diese zentrale Frage der modernen Kosmologie steht ebenfalls im Mittelpunkt der Forschung am MPIA. Mit dem LBT wollen die Astronomen die Struktur der entferntesten Galaxien und die Dynamik ihrer Sterne und Gaswolken studieren. Damit wollen sie beispielsweise herausfinden, welche Rolle die Dunkle Materie bei der Bildung der Galaxien im frühen Universum gespielt hat.

Ein anderer Arbeitsschwerpunkt betrifft wesentlich nähere Objekte unseres eigenen Milchstraßensystems: Planeten, die andere Sterne als unsere Sonne umkreisen. Bislang sind etwa 140 Sterne bekannt, die solche winzigen, extrem lichtschwachen Begleiter besitzen. Diese extrasolaren Planeten lassen sich heute noch nicht direkt beobachten. Dafür sind sie zu lichtschwach und stehen zu nahe an ihrem millionen- bis milliardenfach helleren Zentralstern, der sie hoffnungslos überstrahlt.

Daneben kennen die Astronomen eine ganze Reihe junger Sterne, die von Scheiben aus Gas und Staub umgeben sind. Eine der zentralen noch offenen Fragen lautet: Sind diese Gebilde die Geburtstätten von Planeten, so wie wir es heute vermuten? Mit Hilfe der extrem hohen Auflösung des LBT wollen die Astronomen diese Staubscheiben inspizieren und nach möglichen Anzeichen für darin entstehende oder bereits vorhandene Planeten suchen.

Noch einmal Henning: »Wir haben uns zwar einige konkrete Programme vorgenommen, aber neuartige Teleskope eröffnen auch immer wieder ungeahnte Möglichkeiten, wie wir es beim Weltraumteleskop Hubble gesehen haben. Dadurch stellen sich neue, bis dahin unvermutete Fragen, und neue Forschungszweige entwicken sich.«

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Die Kompetenz am MPIA
Dass Astronomen des MPIA beim Bau des Interferometers LINC-NIRVANA mit adaptiver Optik am LBT eine führende Rolle einnehmen, ist kein Zufall, sondern gründet sich auf ihrer in dieser Technik bereits gesammelten Erfahrung. Schon vor mehreren Jahren haben sie am institutseigenen Calar-Alto-Observatorium in Südspanien eines der ersten adaptiv optischen Systeme, genannt ALFA, aufgebaut und am dortigen 3.5-Meter-Teleskop zum Einsatz gebracht. Damit wurden sie auf diesem Gebiet die Spezialisten weltweit. Es folgten weitere Entwicklungen, wie der künstliche Laserleitstern. Er ist immer dann erforderlich, wenn sich im Bildfeld kein natürlicher Stern ausreichender Helligkeit befindet, dessen Licht der Wellenfrontanalysator benötigt. Dann schießt man parallel zur Sichtlinie des Teleskops einen Laserstrahl in den Himmel, der in 90 Kilometern Höhe Natrium-Atome zum Leuchten anregt. Auf diese Weise entsteht in der Hochatmosphäre innerhalb des beobachteten Gesichtsfeldes ein »künstlicher Stern«, der zur Wellenfrontanalyse verwendbar ist. Dieses System wird derzeit erweitert und soll demnächst an einem der vier 8-Meter-Teleskope des VLT in Chile zum Einsatz gelangen.

Das jüngste Highlight der instrumentellen Entwicklungen am MPIA war die erfolgreiche Inbetriebnahme des genannten Interferometers MIDI (Mid-Infrared Interferometric Instrument) am VLT im Dezember 2002. MIDI ist das weltweit erste und bislang einzige Interferometer für den Bereich des mittleren Infrarot (Wellenlängen um 10 Mikrometer), das an Großteleskopen arbeitet.

Die Astronomen sind sich darin einig, dass die Interferometrie, verbunden mit der adaptiven Optik, eine der zukunftsweisenden astronomischen Techniken sein wird. Aus diesem Grunde beschlossen die Forscher den Aufbau eines »Deutschen Zentrums für Interferometrie« (Frontiers of Interferometry in Germany, Fringe) mit Sitz am MPIA. Ziel dieser Einrichtung ist die Koordination der Anstrengungen deutscher Institute auf diesem Gebiet. Fringe soll Geräte und Software zusammenführen, welche in den beteiligten Instituten gebaut werden. Ein weiteres konkretes Ziel besteht in der Vorbereitung der nächsten Generation interferometrischer Instrumente. Dazu zählt die Erweiterung des Einsatzbereiches von Midi zu größeren Wellenlängen und eine Beteiligung an der Vorbereitung der europäischen Weltraummission Darwin. Fringe wird die Kooperation mit anderen Interferometriezentren in Europa suchen. Langfristiges Ziel ist die Einrichtung eines europäischen Interferometriezentrums für den optischen und infraroten Wellenlängenbereich.

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Blick in die Zukunft
Das LBT wird voraussichtlich für zehn bis fünfzehn Jahre das größte Einzelteleskop der Welt sein. Seit einigen Jahren diskutieren Astronomen in Europa und in den USA bereits darüber, ob es sinnvoll und möglich ist, ein Teleskop zu bauen, das über einen Spiegel von 30 bis 100 Metern Durchmesser verfügt. Ein solches »Over-Whelmingly Large Telescope« (OWL) wäre auf jeden Fall auf die adaptive Optik angewiesen.

In gewisser Hinsicht lässt sich LINC-NIRVANA von seinen Anforderungen und Ausmaßen her bereits als adaptiv optisches Interferometer solcher Riesenteleskope ansehen. »Wir betrachten das LBT auch als Übergangsinstrument zu den Großteleskopen der nächsten Generation«, erklärt Henning. Als Fernziel träumen die Astronomen des MPIA von einer Beteiligung an einem solchen zukünftigen Riesenteleskop.

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Abb.0: Das Schutzgebäude des LBT auf dem Mount Graham.

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Abb.1: Das weitgehend fertig montierte Teleskop: Der erste Hauptspiegel ist installiert, hoch darüber ist die Primärfokus-Kamera LBC 1 für den roten Spektralbereich zu erkennen. (Juni 2004)

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Abb.2: Das Schutzgebäude auf dem Mount Graham vor der Montage des LBT, mit geöffnetem Doppelspalt (Juni 2002). Der gesamte obere Teil des Gebäudes ist drehbar, um den Spalt den Bewegungen des Teleskops nachführen zu können.

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Abb.2a: Zum Größenvergleich: das Schutzgebäude neben dem Brandenburger Tor.

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Abb.3: Der erste der beiden Primärspiegel (Juli 2002). Seine hochgenau polierte Oberfläche ist noch nicht aluminisiert, die Wabenstruktur des Spiegelkörpers ist deutlich erkennbar.

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Abb.4: Die mechanische Komponente des LBT nach ihrer Montage in der Werkshalle der Firma Ansaldo-Camozzi in Mailand. (Sommer 2002)

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Abb.5: Der erste Hauptspiegel erreicht seinen Bestimmungsort auf dem Mount Graham (Dezember 2003)

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Abb.6: Einige der LBT-Instrumente im Überblick. LUCIFER, PEPSI und LINC-NIRVANA werden auf den nächsten Seiten eingehed beschrieben.

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Abb.7: Der geöffnete Spektrograph LUCIFER mit seiner inneren Struktur und den wesentlichen optomechanischen Komponenten: Eintrittsfentster, Kollimator, Gitterauswahleinheit, Kamerarad, Doppelfilterrad, Detektor und Elektronikboxen auf der Rückseite des Kryostaten. Das komplette Instrument hat einen Durchmesser von 1.6 Metern und wiegt ca. 2.5 Tonnen.

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Abb.8: Ein Kernstück von LUCIFER im Labor des MPE in Garching. Im Vordergrund die beiden Maskenmagazine, dahinter der Roboter für den Transport der Masken und die Fokaleinheit.

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Abb.9: Die erste der beiden AGW-Einheiten wird im Elektroniklabor des AIP aufgebaut.

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Abb.10: PEPSI: Optischer und mechanischer Aufbau des Spektrographen.

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Abb.11: Das Herz von PEPSI: das weltweit größte Echelle-Gitter (in Abb. 10 oben links zu erkennen) bei ersten Tests im Reinraum des AIP.

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Abb.12: Übersicht über die Instrumentenplattform zwischen den beiden Hauptspiegeln am LBT. Die Position von LINC-NIRVANA ist markiert. Das von den Hauptspiegeln reflektierte Sternlicht wird von den Sekundärspiegeln nach unten zurückgeworfen und danach von in den Strahlengang gehaltenen Planspiegeln horizontal in das Messinstrument gelenkt.

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Abb.13: Auf der Instrumentenplattform zwischen den beiden Hauptspiegeln des LBT sind wesentliche Teile von LINC-NIRVANA zu sehen. Die beiden runden Strukturen außerhalb der optischen Bank enthalten die Sensoren für die Korrektur bodennaher Turbulenzen. Die beiden würfelförmigen Einheiten vorne auf der optischen Bank enthalten Sensoren für Korrekturen höherer Atmosphärenschichten.

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Abb.14: Unterhalb der Instrumentenplattform für LINC-NIRVANA wird der gekühlte Teil der Kamera mit dem Detektor in einer Art »Thermoskanne« installiert. Eingespeist wird das Licht von beiden Teleskopen über ein Spiegelsystem (Z-förmiger Strahlengang). Je einer dieser Spiegel ist deformierbar. Durch Verschieben der Spiegel lassen sich die Korrekturen der adaptiven Optik auf verschiedene Atmosphärenschichten optimieren. Im unteren Bereich sorgt der »Fringe tracker«, das Herzstück der Interferometrie-Technik, für eine stabile Überlagerung der beiden Lichtbündel und ermöglicht so eine scharfe interferometrische Abbildung.

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Abb.15: Simuliertes Bild einer Galaxie, ähnlich unserem Milchstraßensystem oder dem Andromedanebel (ihrem kosmischen Nachbarn), aber in 8 Milliarden Lichtjahren Entfernung. Links: aufgenommen mit dem Hubble Space Telescope, rechts: aufgenommen mit dem vollständig optimierten LINC-NIRVANA.

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Beteiligungen:
Das LBT ist ein amerikanisch-deutsch-italienisches Gemeinschaftsprojekt. Den deutschen Anteil von 25 Prozent teilen sich fünf in der LBT-Beteiligungsgesellschaft (LBT-B) zusammengefasste außeruniversitäre Institute:

  • Max-Planck-Institut für Astronomie, Heidelberg
    (Leitung der LBT-B; federführend bei LINC-NIRVANA, beteiligt an LUCIFER)
  • Max-Planck-Institut für extraterrestrische Physik, Garching
    (federführend bei Hardpoints zur Justierung der Hauptspiegel,  beteiligt an LUCIFER)
  • Max-Planck-Institut für Radioastronomie, Bonn
    (beteiligt an LINC-NIRVANA)
  • Astrophysikalisches Institut Potsdam
    (federführend bei PEPSI und bei AGW)
  • Landessternwarte Heidelberg
    (federführend bei LUCIFER, beteiligt an AGW)

Den italienischen Anteil von 25 Prozent hält das Konsortium INAF, dem landesweit dreizehn Observatorien angehören.

Der amerikanische Anteil von 50 Prozent verteilt sich wie folgt:

  • University of Arizona: 25 %
  • Ohio State University: 12.5 %
  • Research Corporation: 12.5 %
    (Universitäten Notre Dame, Minnesota, Virginia u.a.)

Das LBT im Internet:
MPIA: http://www.mpia.de/LBT/
LBT Observatory: http://lbto.org

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