Rätselhafter Sternenstaub im frühen Universum

23. Dezember 2004

Manche Astronomen glaubten seit letztem Jahr zu wissen, wie die großen Mengen Staubes entstanden sind, welche die frühesten Quasare umgeben: Sie sollten sich bei den Supernova-Explosionen der ersten Sterngenerationen nach dem Urknall gebildet haben. Das wurde aus Beobachtungen des angeblich »stark rauchenden« Supernova-Überrests Cassiopeia A geschlossen. Nun zeigen neue, mit den Infrarot-Satelliten ISO und SPITZER gewonnene Beobachtungen, dass dieses wichtige Ergebnis nicht zu halten ist.

Die Frage nach dem Urprung des ersten Staubkörner im Kosmos hat grundlegende Bedeutung. Bekanntlich war im Anfang der Wasserstoff, also ein Gas aus den einfachsten Atomen. Schwerere Elemente (Kohlenstoff, Sauerstoff, Silizium usw., bis zum Eisen) konnten erst im Inneren der Sterne der ersten Generation synthetisiert werden. Alle noch schwereren Elemente entstehen aber erst bei Supernova-Explosionen.

Die schwereren Elemente stehen also erst für den Aufbau der Sterne späterer Generationen zur Verfügung. Staubkörner, die ersten Festkörper im Kosmos, bestehen aus diesen schwereren Elementen und bilden sich in den kühlen Winden aus, die von mehrere Milliarden Jahre alten, sonnenähnlichen Sternen ausgehen – oder aber auch, bereits nach wenigen Millionen Jahren – in Supernova-Explosionen. Erst dann steht der Staub zur Verfügung für den Aufbau von Sternen späterer Generationen und – aus menschlicher Sicht besonders wichtig – ihrer eventuellen Planetensystemen.

In den letzten Jahren haben Astronomen in der Umgebung der fernsten Quasare, die wir im jungen Universum, nur etwa 700 Millionen Jahre nach dem Urknall, beobachten, große Mengen interstellaren Staubes entdeckt. Damit stellte sich das Problem: Wie konnte all dieser Staub so schnell entstehen? Es kamen offenbar nur die Supernova-Explosionen in Frage, da das Universum damals zur Ausbildung kühler Winde alter sonnenähnlicher Sterne noch viel zu jung war. Aber konnten die Supernovae tatsächlich so ergiebig sein?

Eine erste Antwort auf diese Frage war in einer 2003 erschienenen, viel zitierten Arbeit [1] enthalten. Zwar galten bisher Supernova-Überreste als staubarm, da sich in ihnen im kurzwelligen Infrarotbereich nur wenig warmer Staub nachweisen ließ. Die Autoren beobachteten aber in Richtung auf den Supernova-Überrest Cassiopeia A (kurz: Cas A) starke thermische Emission im Submillimeterbereich, wie sie für große Mengen kalten interstellaren Staubes charakteristisch ist. Sie ordneten diesen Staub der Umgebung von Cas A zu und glaubten, damit auch eine Erklärung für das das Rätsel der großen Staubmengen im frühen Universum gegeben zu haben: Anscheinend produzierten Supernovae vom Typ II (zu denen die Supernova in Cas A gehört) tatsächlich genügend viel Staub. Eine Supernova-Explosion vom Typ II ereignet sich, wenn der Kernbereich eines extrem kurzlebigen, massereichen Sterns am Ende seiner Entwicklung in sich zusammenstürzt und dabei große Mengen an Gravitationsenergie freisetzt, die den größten Teil des Sterns explosionsartig auseinander fliegen lässt.

Der Supernova-Überrest Cassiopeia A wurde aber auch vom Infrarotsatelliten ISO im Rahmen einer Himmelsdurchmusterung im fernen Infraroten – der sogenannten ISO – (Zufallsdurchmusterung bei einer Wellenlänge von 170 Mikrometern) beobachtet. Bei dieser Wellenlänge emittiert sehr kalter Staub (T≈10...20 Kelvin oder -250...-260°C) seine "Wärmestrahlung". Krause und seine Kollegen am Max-Planck-Institut für Astronomie in Heidelberg entdeckten so eine kalte interstellare Wolke, die Cas A überdeckt. Sie vermuteten also, die von Dunne et al. gemessene Submillimeter-Strahlung stamme tatsächlich von dieser Wolke, die zwar in Richtung des Supernova-Überrests, aber weit im Vordergrund steht und nicht mit der Supernova assoziiert ist. Diese Vermutung konnten sie nun durch Beobachtungen mit dem weltraumgestützten Infrarotteleskop SPITZER erhärten. Ihre Ergebnisse sind kürzlich in der Zeitschrift Nature erschienen [2].

Cas A ist der jüngste bekannte Supernova-Überrest in unserer Milchstraße. Er steht etwa 11000 Lichtjahre entfernt, jenseits des staubreichen Perseus-Spiralarms. Krause und Kollegen vermuten, dass eben diese im Vordergrund gelegenen Staubwolken verhindert haben, dass die Astronomen des späten 17. Jahrhunderts die Supernova-Explosion beobachten konnten, deren Überrest Cas A heute ist. Cas A steht der Erde so nahe, dass die Supernova für einige Zeit als der hellste Stern am ganzen Himmel hätte erscheinen sollen, aber die Staubwolke im Perseus-Arm hat sie verdeckt.

Das deutsch-amerikanische Team kartierte Cas A bei 160 Mikometern Wellenlänge unter Einsatz des Weltraumteleskops SPITZER und seines abbildenden Photometers, und verglich diese Ergebnisse mit einer im Radiobereich erstellten Karte derselben Himmelsregion. Aus diesem Vergleich ergibt sich, dass der Staub in den interstellaren Wolken praktisch für die gesamte Infrarotstrahlung verantwortlich ist. Es gibt also keine wesentlichen Mengen Staubes, die mit dem Supernova-Überrest Cas A assoziiert sind.

Nun werden sich die Astronomen erneut auf die Suche machen, um die ersten Staubquellen im Kosmos zu identifizieren. Gelingt das, so werden wir wissen, wie und wo die allerersten Sterne entstanden sind, oder ob es außer den stellaren noch andere, bisher unbekannte Mechanismen gibt, den Staub zu erzeugen. Die Antwort wird unser Verständnis der frühesten Entwicklung der Galaxien wesentlich vertiefen.




[1] Loretta Dunne, Stephen Eales, Rob Ivison, Haley Morgan, Mike Edmunds: »Type II supernovae as a significant source of interstellar dust«, Nature, 424 , pp. 285-287 (2003)
[2] Oliver Krause, Stephan M. Birkmann, George H. Rieke, Dietrich Lemke, Ulrich Klaas, Dean C. Hines, Karl D. Gordon: »No cold dust within the supernova remnant Cassiopeia A«, Nature, 432 , pp. 596-598 (2004)


Die Autoren:
S. Birkmann, D. Lemke, U. Klaas
Max-Planck-Institut für Astronomie
D-69117 Heidelberg


O. Krause, G. H. Rieke, K. D. Gordon
Steward Observatory
University of Arizona


D. C. Hines
Space Science Institute
Boulder, Colorado

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