Ein neuer, exotischer Nachbar der Sonne

22. März 2006

Braune Zwerge sind für Sterne zu massearm und für Planeten zu massereich: Sie nehmen zwischen beiden Kategorien eine Zwischenstellung ein. Seit der Entdeckung des ersten Braunen Zwergs vor elf Jahren sind heute einige Hundert dieser Objekte bekannt, deren Studium für das Verständnis der Entstehung und Entwicklung sowohl der Sterne als auch der Planeten von großer Bedeutung ist. Wir berichten über die Entdeckung eines besonders interessanten Exemplars.

Bei Beobachtungen mit dem Very Large Telescope (VLT) der Europäischen Südsternwarte (ESO) in Chile hat eine Arbeitsgruppe von Astronomen [1] unter der Leitung von Beth Biller, Markus Kasper und Laird Close einen Braunen Zwerg entdeckt, der nur 12.7 Lichtjahre von der Erde entfernt einen sehr massearmen Stern umläuft. Dieser mit SCR 1845-6357B bezeichnete Braune Zwerg steht unter den bisher Bekannten der Erde am zweitnächsten. Er umläuft seinen stellaren Begleiter in einer Entfernung von 4.5 Astronomischen Einheiten (die Erde ist von der Sonne eine Astronomische Einheit [AE], der Jupiter 5 AE entfernt). Er ist sehr kühl, die Temperatur an seiner Oberfläche beträgt nur 750 Grad Celsius. Seine Masse beträgt zwischen 9 und 65 Jupitermassen.

Um diesen Braunen Zwerg abzubilden, verwendeten die Astronomen den neuen »NACO Simultaneous Differential Imager« (NACO SDI [2]) am VLT. Dieses Instrument war von Laird Close und Rainer Lenzen am Max-Planck-Institut für Astronomie speziell für die Suche nach extrasolaren Planeten entwickelt und gebaut worden. Mit Hilfe der SDI-Kamera wird die Fähigkeit des VLT und seiner adaptiven Optik verstärkt, schwache Objekte nachzuweisen, deren Bild sonst im gleißenden Licht ihrer hellen Begleiter untergehen würde. Insbesondere liefert SDI zusätzliche spektrale Informationen, mit deren Hilfe sich die Temperatur dieser schwachen Objekte ohne weiteres abschätzen lässt.

Der neu entdeckte Braune Zwerg ist in mancher Hinsicht einzigartig: Er steht der Erde besonders nahe, er ist besonders kühl (ein sogenannter T-Zwerg oder auch Methanzwerg), und er ist als einziger seiner Art Begleiter eines massearmen Sternes, den er auf einer besonders engen Bahn umläuft. Kein Objekt seiner Temperatur erscheint uns so hell (weil so nahe). Und Markus Kasper bemerkt: »Das Objekt ist auch deshalb so wertvoll für die Forschung, weil seine Entfernung recht genau bekannt ist, so dass seine Leuchtkraft genau bestimmt werden kann; und seine Masse wird sich in Zukunft aus seiner Bahnbewegung um seinen stellaren Begleiter ableiten lassen. Diese Eigenschaften sind wesentlich für unser Verständnis des inneren Aufbaus der Braunen Zwerge.«

Die Entdeckung dieses Objekts lässt vermuten, dass es, zumindest in der Umgebung der Sonne, mehr kühle Braune Zwerge in Doppelsystemen gibt (die also gravitativ an einen anderen Stern oder Braunen Zwerg gebunden sind), als isolierte kühle Braune Zwerge. Bis zu einer Entfernung von 20 Lichtjahren von der Sonne sind bereits fünf kühle Braune Zwerge in Doppelsystemen bekannt, und nur zwei einzelne, isolierte Objekte dieser Art. Dieses Überwiegen der Objekte in Doppelsystemen ist von Bedeutung für unser theoretisches Verständnis der Entstehung Brauner Zwerge, demzufolge vorwiegend Einzelobjekte entstehen sollten.

Anmerkungen:
[1] Die Arbeitsgruppe besteht aus: Beth Biller (Steward Observatory, University of Arizona, Tucson, USA), Markus Kasper (ESO, Garching), Laird Close (Steward Observatory, University of Arizona, Tucson, USA), Wolfgang Brandner, (Max-Planck-Institut für Astronomie, Heidelberg) und Stephan Kellner (W.M. Keck Observatory, Waimea, Hawaii, USA)
[2] Die NACO-SDI-Kamera ist ein Spezialinstrument, dessen Adaptive Optik die durch Schlieren in der Erdatmosphäre verursachte Bildverschmierung beseitigt und damit extrem scharfe Bilder erzeugt. Das Instrument spaltet das Licht von einem Stern in vier identische Bilder auf: Deren Licht wird durch vier Filter geführt, welche für charakteristische Anteile des Spektrums (Methanbanden) unterschiedlich durchlässig sind. Die vom Detektor registrierten vier Bilder werden anschließend so voneinander abgezogen, dass das Licht des hellen Sterns verschwindet. Es verbleibt das eventuell vorhandene Bild eines lichtschwachen, kühlen Objekts, das anderenfalls im gestreuten Licht (»Lichthof«) des hellen Sterns untergegangen wäre. Einzigartige, mit dieser Technik aufgenommene Bilder des Saturnmonds Titan finden sich in der Pressemitteilung PR 04-04-14 des MPIA vom 14. April 2004.

Weitere Informationen:
Die hier beschriebene Arbeit von B. Biller et al. wird unter dem Titel »Discovery of a Very Nearby Brown Dwarf to the Sun: A Methane Rich Brown Dwarf Companion to the Low Mass Star SCR 1845-6357« in der Fachzeitschrift Astrophysical Journal Letters erscheinen.

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