Ultra-energiereiche Teilchen im Jet eines Schwarzen Lochs

21. Juni 2006

Southampton/Heidelberg – Riesige Schwarze Löcher sitzen in den Zentren der meisten Galaxien. Dort lösen sie eine Vielfalt hochenergetischer Phänomene aus, etwa der Quasare – der hellsten Objekte im Universum. Von den Quasaren (den leuchtenden Umgebungen dieser Schwarzen Löcher) gehen stark gebündelte, hochenergetische Teilchenströme (sogenannte Jets) aus und geben Strahlung in allen Frequenzbereichen ab, von Radiowellen über infrarotes, sichtbares und ultraviolettes Licht bis hin zu Röntgenstrahlen. Wie diese Quasar-Jets funktionieren, ist seit Jahrzehnten eine zentrale Frage der Astrophysik.

Internationale Zusammenarbeit zur Lösung eines alten Rätsels

Ein Team von Astronomen unter der Leitung von Dr. Sebastian Jester, vormals am Fermilab bei Chicago tätig und jetzt Otto-Hahn-Stipendiat der Max-Planck-Gesellschaft an der University of Southampton, hat mit dem Röntgenteleskop CHANDRA Beobachtungen gewonnen, die einen Schlüsselbeitrag zum Verständnis von Quasar-Jets liefern. Eine komplementäre Untersuchung der Infrarotstrahlung des Jets mit dem Weltraumteleskop SPITZER kam zu denselben Schlussfolgerungen.

Beide Studien beziehen sich auf den Jet des Quasars 3C 273, der seit seiner Identifizierung als erster Quasar im Jahr 1963 berühmt ist. Sie zeigen, dass die Röntgentrahlung dieses Jets direkt von ultra-energiereichen Teilchen erzeugt wird – aufgrund der bisherigen Daten waren die meisten Astronomen davon ausgegangen, dass ein anderer Strahlungsmechanismus verantwortlich sei. Die Ergebnisse sind im Internet zugänglich und werden im September im »Astrophysical Journal« erscheinen.

»Die Teilchenströme in den Quasar-Jets bewegen sich fast mit Lichtgeschwindigkeit und erzeugen sichtbares Licht und Röntgenstrahlen. Aber sie sind so weit von der Erde entfernt, dass sie uns extrem leuchtschwach erscheinen und wir bisher keine Daten hatten, aus denen sich der Emissionsmechanismus herausfinden ließe«, sagt Sebastian Jester, Hauptautor der ersten Studie sowie Mitautor der zweiten. »Diese Beobachtungen bedeuten einen signifikanten Fortschritt für unser Wissen über Jets. Die Ergebnisse deuten klar darauf hin, dass die Röntgenstrahlung im Jet von 3C 273 von ultra-energiereichen Teilchen durch den Synchrotron-Prozess erzeugt wird.«

Es hatte zwei konkurrierende Vorschläge dafür gegeben, wie der Jet Röntgenlicht erzeugt – das »Compton-Modell«, nach dem niederenergetische Teilchen Photonen aus der Mikrowellen-Hintergrundstrahlung streuen und so die hochenergetische Strahlung erzeugen, und das »Synchrotron-Modell«, nach dem eine Populationen von extrem energiereichen Elektronen oder Protonen im Jet vorhanden ist, die selbst im Röntgenlich leuchten.


Beobachtungen in allen Spektralbereichen, im Weltraum und auf der Erde

Zu den Mitautoren der CHANDRA-Studie zählt Dr. Klaus Meisenheimer vom Max-Planck-Institut für Astronomie in Heidelberg, wo auch Sebastian Jester seine Arbeiten an diesen rätselhaften Objekten begonnen hatte. Auch mit Wissenschaftlern am Massachusetts Institute of Technology (MIT) und am Smithsonian Astronomical Observatory (SAO) in Cambridge, Massachusetts, wurde eng zusammengearbeitet. Das Team benutzte das Röntgenteleskop CHANDRA, um erstmals die Energieverteilung der Röntgenstrahlung des Jets von 3C 273 zu bestimmen.

Ein weiteres Team unter der Leitung von Yasunobu Uchiyama, vormals am Center for Astronomy der Yale-Universität und jetzt Mitarbeiter von JAXA in Japan, hat den Jet von 3C 273 mit dem Weltraumteleskop SPITZER beobachtet, das sehr viel schwächere Infrarot-Strahlungsquellen beobachten kann als Teleskope auf der Erde. Die Beobachtungen mit SPITZER ermöglichten es diesem Team aus Astronomen in Stanford, Southampton, am Goddard Space Flight Center und am Brera-Observatorium in Mailand, zum ersten Mal den Verlauf des Infrarot-Spektrums zu bestimmen. Damit ließ sich die Frage nach dem Ursprung der Jet-Strahlung klären.

Beide Teams nutzten auch Daten vom Weltraumteleskop HUBBLE, dem dritten der »NASA Great Observatories«, und von den Radioteleskopen des Very Large Array (VLA) in New Mexico. Die drei Weltraumteleskope und das VLA »sehen« die Himmelsquellen bei unterschiedlichen Wellenlängen, und die Kombination von allen vieren war notwendig, um ein umfassendes Verständnis des Jets zu erlangen.


Ein einziger Mechanismus und: Beschleunigung vor Ort!

Die neuen Daten in vielen verschiedenen Spektralbereichen zeigen klar, dass die Radiostrahlung, das infrarote und optische Licht, sowie die Röntgenstrahlung nicht unabhängig voneinander erzeugt werden. Vielmehr wird die gesamte vom Jet emittierte Strahlung von ultra-energiereiche Teilchen als Synchrotronstrahlung abgegeben.

Der im Bild dargestellte, hellste Teil des Jets hat eine Ausdehnung von etwa 100.000 Lichtjahren, die »Lebensdauer« der strahlenden Teilchen beträgt aber nur etwa 100 Jahre. Das bedeutet, dass die hochenergetischen Teilchen, die sich fast mit Lichtgeschwindigkeit bewegen, nicht einfach aus dem Schwarzen Loch geschossen werden können, um dann weit draußen ihre Energie als Strahlung abzugeben – dazu ist ihr »Leben« zu kurz! Sie müssen vielmehr »vor Ort« beschleunigt werden, unmittelbar dort, wo sie ihre Energie als Strahlung abgeben – also: überall im leuchtenden Jet!

»Unsere Ergebnisse machen es nötig, radikal neu über die physikalischen Prozesse nachzudenken, die in solchen Jets von Schwarzen Löchern ablaufen«, sagt Uchiyama. »Aber jetzt haben wir entscheidende neue Hinweise, um eines der großen Rätsel der Astrophysik lösen zu können.« Sebastian Jester ergänzt: »Wir sehen jetzt klar, dass der innere Aufbau eines solchen Jets sehr viel komplizierter ist, als wir bisher angenommen hatten. Was mysteriös bleibt, ist die Frage, wie die Jets es schaffen, Teilchen vor Ort zu so hohen Energien zu beschleunigen. Unsere großen Teilchenbeschleuniger – Fermilab, DESY und CERN – könnten da neidisch werden!«

Die Autoren:
S. Jester (Fermilab and U. Southampton), Dan Harris (Smithsonian Astrophysical Observatory), H. L. Marshall (MIT Kavli Institute), K. Meisenheimer (MPIA Heidelberg), Y. Uchiyama, C. M. Urry, C. C. Cheung, S. Jester (Fermilab and U. Southampton), J. Van Duyne, P. Coppi (Yale University), R. M. Sambruna (NASA/GSFC, Greenbelt, MD), T. Takahashi (ISAS/JAXA, Japan), F. Tavecchio, L. Maraschi (Osservatorio Astronomico di Brera, Milano)
Beide Studien wurden durch NASA-Drittmittel unterstützt.

Originalarbeiten:
S. Jester et al., Astrophysical Journal, 10. September 2006
Vorab-Version: http://arxiv.org/abs/astro-ph/0605529
Y. Uchiyama et al., Astrophysical Journal, 10. September 2006
Vorab-Version: http://arxiv.org/abs/astro-ph/0605530

Zur Redakteursansicht