Abruptes Ende einer zirkumstellaren Scheibe

24. Oktober 2006

Junge, in der Entstehung begriffene Sterne sind von dicken Scheiben aus Gas und Staub umgeben, in denen sich Planetensysteme bilden können. Im Rahmen einer Kooperation mit Kollegen des National Astronomical Observatory of Japan (NAOJ) haben Astronomen des Max-Planck-Instituts für Astronomie (MPIA) die innere Struktur einer solchen zirkumstellaren Scheibe um den jungen, 320 Lichtjahre von der Erde entfernten Stern HD 141569A untersucht. Dabei kam das japanische 8-Meter-Teleskop Subaru auf dem erkalteten Vulkan Mauna Kea (Hawaii) zum Einsatz.

Es gelang der Nachweis, dass der Zentralstern mit seiner heißen Strahlung und seinem Wind einen großen inneren Teil der Scheibe bereits aufgelöst hat, sodass die Scheibe heute erst jenseits einer Entfernung vom Stern einsetzt, die im Sonnensystem etwa der Umlaufbahn des Saturn entspricht. Die Beobachtung zeigt, dass sich die Scheibe in einem abrupt verlaufenden Prozess der Auflösung befindet.

Das Team unter der Leitung von Dr. Miwa Goto und Prof. Tomonori Usuda nutzte die hohe räumliche Auflösung, die das Teleskop dank seiner adaptiven Optik, seiner Infrarotkamera und seines Infrarotspektrographen erreicht, um die Linienemission der CO-Gases zu untersuchen und daraus die räumliche Verteilung des Gases und seinen Bewegungszustand abzuleiten. Die Scheibe war bereits aufgrund der Wärmestrahlung ihres Staubanteils entdeckt worden. Die Untersuchung des Gases lieferte nun ein Bild vom Auflösungsprozess der Scheibe in der Nähe des Sterns.

Nach außen erstreckt sich die Emission des CO-Gases etwa 50mal so weit wie die Entfernung Erde-Sonne (diese beträgt 150 Millionen Kilometer und heißt Astronomische Einheit oder AE; die Bahn Neptuns hat einen Radius von 30 AE, die Bahn Saturns einen Radius von 9.6 AE). Die CO-Emission steigt mit abnehmendem Abstand zum Stern stetig an, erreicht ihr Maximum bei 15 AE und fällt weiter innen rasch ab. Innerhalb von 11 AE ist kaum noch CO-Gas nachweisbar.

Die Entdeckung dieses großen zentralen Loches ist deshalb bedeutsam, weil sie wichtige Information über die Struktur der Scheibe beinhaltet. Würde das Magnetfeld des Zentralsterns das Loch verursachen, so müsste dieses viel kleiner sein, nur etwa ein Hundertstel AE, kaum größer als der Stern selbst. Und wäre das Loch dadurch entstanden, dass die Sternstrahlung den Staubanteil in der Scheibe sublimieren (vom festen Zustand direkt in einen gasförmigen übergehen) lässt, so würde man ein  Loch von etwa einem Zehntel AE erwarten.

Das beobachtete riesenhafte Loch lässt sich am besten damit erklären, dass das Gas in der Scheibe vom heißen Licht des Zentralsterns mit hoher Effizienz ionisiert und weggeschoben wird. Es gibt auch andere Mechanismen, die zur Beseitigung der Scheibe führen, z.B. die Verklumpung des Scheibenmaterials durch viskose Akkretion mit anschließender Bildung von Planeten. Aber offenbar ist die Verdunstung der Scheibengases durch Einwirkung des ionisierenden Sternlichts der effektivste Mechanismus, der die Auflösung der Scheibe um den jungen Stern innerhalb kurzer Zeit bestimmt. Es könnten auch ein oder zwei Planeten bei ihrem Umlauf um den Zentralstern das Material aufgesammelt haben. Es gibt aber keinerlei Hinweise auf die Existenz solcher Planeten.

Theoretisch war dieser Mechanismus bereits untersucht worden, aber die neuen Beobachtungen zeigen erstmals seine Bedeutung in der Natur. Offenbar verdunstet die Scheibe nicht langsam von innen nach außen. Vielmehr geschieht dies mehr oder weniger abrupt und das Loch wächst dann weiter, bis die gesamte Scheibe – und damit ihre Fähigkeit, Planeten zu bilden – gänzlich verschwindet.

Die Rolle der zirkumstellaren Scheibe

Sterne entstehen dadurch, dass große interstellare Wolken, die hauptsächlich aus molekularem Wasserstoff bestehen, unter der Last des eigenen Gewichts kollabieren. Weil das Gas Drehimpuls besitzt, fällt es nur zum Teil direkt zur Mitte der ursprünglichen Wolke. Der Rest bildet eine schmale, dichte Scheibe, die in der Äquatorebene des Systems um den wachsenden Zentralstern rotiert. Die Reibung innerhalb der Scheibe führt dazu, dass ihr Material auf spiralförmigen Bahnen zum Stern hin fällt und so zu seinem weiteren Wachstum beiträgt.

Aus dem Material in dieser Scheibe können sich Planeten bilden, indem die gas- und Staubteilchen aneinander haften und erste lokale Verdichtungen bilden, die dann weitere Teilchen aus ihrer Umgebung aufsammeln. So entstehen bis zu 100 Meter große Brocken, die sogenannten Planetesimale, die weiter anwachsen und dabei den Zentralstern umlaufen. Sind die Bedingungen günstig, so können auf diese Weise (wie im Sonnensystem) erdähnliche Planeten entstehen.

Zirkumstellare Scheiben lassen sich untersuchen, indem man das Licht beobachtet, das von den in ihnen enthaltenen Staubteilchen gestreut oder als Wärmestrahlung emittiert wird. Allerdings machen in den frühen Entwicklungsphasen der Scheiben die Staubteilchen nur etwa ein Prozent ihrer Gesamtmasse aus. Der große Rest liegt als molekulares Gas (Wasserstoff, Kohlenmonoxid usw.) vor. Die Untersuchung dieser gasförmigen Komponente gibt also Auskunft über den größten Anteil des Scheibenmaterials.

Eine zirkumstellare Scheibe besteht nur für eine kurze Zeit, während der Zentralstern Materie von ihr aufsammelt, und nur in dieser Phase kann sich ein Planetensystem um den Stern bilden. Löst die ionisierende Strahlung des neu entstandenen Sterns die Scheibe auf, bevor in ihr durch Verklumpung und Akkretion Planeten entstehen konnten, dann hat dieser Stern seine Chance, wie die Sonne im Zentrum eines Planetensystems zu stehen, für immer verpasst. Wann und wie die Scheibe sich auflöst, ist also entscheidend für die Möglichkeit ein Planetensystem zu bilden.


Die Autoren der hier beschriebenen Arbeit sind:

Miwa Goto (MPIA)
Tomonori Usuda (Subaru Telescope, NAOJ)
C. P Dullemond (MPIA)
Th. Henning (MPIA)
H. Linz (MPIA)
B. Stecklum (Thüringer Landessternwarte Tautenburg)
Hiroshi Suto (NAOJ)

Die Ergebnisse werden unter dem Titel: »Inner Rim of A Molecular Disk Spatially Resolved in Infrared CO Emission« Ende 2006 oder Anfang 2007 in der Zeitschrift Astrophysical Journal erscheinen.




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