Wie Planeten trotz widriger Umstände innerhalb kurzer Zeit entstehen können

30. August 2007

Wissenschaftler des Heidelberger Max-Planck-Instituts für Astronomie haben, zusammen mit Kollegen aus den USA und Kanada, für ein grundlegendes Problem der Entstehung von Planeten eine überraschende Lösung gefunden. Die wissenschaftliche Publikation(1) erscheint in Nature, 30. August 2007.

Planeten entstehen in der dichten Scheibe aus Gas und Staub, die in der Regel einen neu geborenen Stern (im Falle unseres eigenen Planetensystems: die neu geborene Sonne) umgibt. Diese Erkenntnis lässt sich bereits aus zwei grundlegenden Eigenschaften des Sonnensystems ableiten: Erstens liegen die Umlaufbahnen aller Planeten um die Sonne etwa in einer Ebene, und zweitens erfolgen alle ihre Rotationsbewegungen in etwa gleicher Richtung. Beide Eigenschaften lassen sich verstehen, wenn die Entstehung des Zentralsterns (in unserem Falle: der Sonne) und seiner Planeten wie folgt abläuft:

Eine große Wolke aus interstellarem Gas und Staub wird instabil und beginnt unter der Last des eigenen Gewichts in Richtung zum eigenen Schwerpunkt zu kollabieren. Da ihre ursprünglich in einem riesigen Raumvolumen fein verteilte Materie insgesamt einen wenn auch geringen Drehimpuls besitzt (sie rotiert um eine ausgezeichnete, durch ihren Schwerpunkt verlaufende Achse), erfolgt der Kollaps zum Zentrum hin nicht aus allen Richtungen gleich schnell. Er ist entlang der Rotationsachse am schnellsten, während er senkrecht dazu (in der Äquatorebene) durch die mit zunehmender Verdichtung immer stärker werdende Zentrifugalkraft verzögert wird. Das Ergebnis: Im Zentrum entsteht der neue Stern, der in sich den größten Teil der kollabierten Materie vereint. Und in der Äquatorebene verbleibt eine dichte Scheibe aus Gas und Staub, die um den Zentralstern rotiert. Die Rotationsgeschwindigkeit ist innen am höchsten und fällt nach außen mit zunehmender Entfernung vom Zentralstern ab. Solche Scheiben können mit heutigen Teleskopen nachgewiesen und bereits recht genau untersucht werden.

Die Staubteilchen, die in der dichten Scheibe um den Zentralstern rotieren, stoßen häufig miteinander zusammen und bleiben aneinander haften: So wachsen sie (durch »Adhäsion«) zu immer größeren Gebilden heran. Aber diese Form des Wachstums endet, sobald die zirkumstellare Scheibe von metergroßen Brocken bevölkert wird: Solche Brocken bleiben kaum je aneinander haften, wenn sie paarweise zusammenstoßen; vielmehr zerstören sie sich dabei gegenseitig. Und weil das umgebende Gas ihre Fahrt um den Zentralstern behindert, geraten sie auf Spiralbahnen, auf denen sie innerhalb weniger Jahrhunderte in den Zentralstern abstürzen.

Bis vor Kurzem sahen die Forscher keinen Weg, auf dem sich diese »Barriere der metergroßen Brocken« überwinden ließe. Die Theorie der Planetenenstehung endete somit in einer Sackgasse. Erst ab der Entstehung von Planetenkernen aus dem Zusammenwachsen der viele Kilometer großen »Planetesimale« ist die Geschichte der Planeten wieder bekannt.

Aber in der Natur wird diese Barriere zwischen metergroßen Brocken und den viele Kilometer großen Planetesimalen sehr wohl überwunden – die Existenz der acht Planeten unseres Sonnensystems (und der mittlerweile bekannten mehr als 200 Planeten bei anderen Sternen) beweist es! Es muss also für die metergroßen Brocken möglich sein, in kürzester Zeit anzuwachsen, sodass das umgebende Gas sie nicht mehr abbremsen und zum Sturz in den Zentralstern zwingen kann. Um dieses Rätsel zu lösen, haben die Heidelberger Forscher und ihre Kollegen die in der zirkumstellaren Scheibe ablaufenden physikalischen Prozesse unter Berücksichtigung aller auftretenden Kräfte und Wechselwirkungen zwischen Staub und Gasteilchen mit großem rechnerischen Einsatz modelliert. Dabei gelang es ihnen, den dreidimensionalen zeitlichen Ablauf des Wachstumsprozesses in aufwendigen Computer-Rechnungen zu verfolgen.

Magnetfelder durchsetzen das System schon vor Beginn des Kollapses und wurden durch den Kollaps verstärkt. Diese Magnetfelder lösen in den auftretenden Strömungen innerhalb der Scheibe Turbulenzen aus. Die Modellrechnungen zeigten aber, dass sie das Absinken großer Brocken aus fester Materie zur Äquatorebene nicht verhindern können, sodass dort eine dichte Schicht von Brocken ensteht. Die Bestandteile dieser Schicht laufen schneller um den Zentralstern als die auch außerhalb der Ebene verteilten Gasteilchen. Auch das Auftreten dieser unterschiedlichen Geschwindigkeiten wirkt verstärkend auf die Turbulenzen der Materieströmung in der Scheibe.

Die Turbulenzen wiederum lassen Gebiete entstehen, in denen der Gasdruck im Vergleich zur Umgebung geringfügig erhöht ist. Solche Variationen im Gasdruck wirken nun auf die Stärke des Gegenwindes und somit auf die Geschwindigkeit der Brocken. Lokale Druckerhöhungen im Gas führen zu Verklumpung in der Brockenschicht, so wie eine Spurverengung auf der Autobahn leicht einen Stau zur Folge hat. Die Klumpen in der Brockenschicht koppeln mit ihrer kollektiven Bewegung an die Gasgeschwindigkeit zurück, was zu einer weiteren Konzentration von Brocken führt.

In diesen lokalen Verdichtungen kommen so viele größere Brocken zusammen, dass deren gegenseitige gravitative Anziehung alle anderen Effekte überwiegt: Einmal in der turbulenten Strömung gebildet, bleiben diese Verdichtungen stabil; sie enthalten so viel Masse wie asteroiden oder Zwergplaneten und lassen sich durch das umgebende Gas nicht länger abbremsen. Dieser Wachstumsprozess ist erstaunlich effektiv. Er ist bereits nach etwa hundert Jahren abgeschlossen.

Man kann davon ausgehen, dass diese Verdichtungen zu festen Körpern kollabieren. Diese Planetesimale genannten Körper sollten so zu Millionen in der gesamten Scheibe entstehen und bilden bei weiteren Zusammenstössen »Baby-Planeten«. Die Gravitationskraft der Größten unter ihnen wird schließlich so stark, dass das umgebende Material (Gas und benachbarte Planetesimale) immer schneller auf sie einstürzt und sie zu echten Planeten anwachsen lässt. So wird die zirkumstellare Scheibe weitgehend leergefegt; was zurück bleibt, beobachten wir heute als Asteroiden und Kometen – das sind die Überbleibsel der einstigen »Planetesimalenfamilie«.

In der hier beschriebenen Arbeit konnten die Forscher mit Hilfe ihrer komplexen und detaillierten Simulationen die Überwindung der Meterbarriere dank auftretender Turbulenz und lokaler Verdichtung quantitativ verfolgen. Damit ist zwar noch nicht gesagt, dass die Natur sich tatsächlich an dieses Drehbuch hält – das können erst zukünftige Beobachtungen entscheiden. Aber wir haben jetzt erstmals eine realistische Vorstellung von einem möglichen Weg der Planetenbildung in zirkumstellaren Scheiben aus Gas und Staub.


  1. Anders Johansen(2), Jeffrey S. Oishi(3,4), Mordecai-Mark Mac Low(3,2), Hubert Klahr(2), Thomas Henning(2), and Andrew Youdin(5): Rapid planetesimal formation in turbulent circumstellar discs. Nature, MS Nr. 2006-12-13825D.
    To be published in Nature, August 30, 2007.
  2. Max Planck Institute for Astronomy, Heidelberg, Germany
  3. American Museum of Natural History, Department of Astrophysics, New York, USA
  4. Also Department of Astronomy, University of Virginia, Charlottesville, USA
  5. Canadian Institute for Theoretical Astrophysics, University of Toronto, Canada
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