Sternentstehung auf breiter Front im frühen Universum

23. Januar 2008

Eine Gruppe von Astronomen aus Frankreich, Deutschland, den USA und Indien konnte erstmals das kühle molekulare Gas in großen, ansonsten gewöhnlichen Galaxien im frühen Universum beobachten. Dabei entdeckten die Forscher weit mehr davon, als in den Galaxien unserer heutigen kosmischen Umgebung vorhanden ist. Dieses Gas ist der Baustoff, aus dem auch heute noch in normalen, ungestörten und nicht aktiven Galaxien neue Sterne entstehen. Die Beobachtung wurde am Millimeterinterferometer auf dem Plateau de Bure (Frankreich) durchgeführt, das vom Institut für Radioastronomie im Millimeterbereich (IRAM) in Grenoble betrieben wird.

Der Befund zeigt, dass massereiche Galaxien große Teile ihrer stellaren Komponente langsam und innerhalb großer Zeiträume aufgebaut haben, und nicht, wie bisher angenommen, während explosionsartiger Ereignisse, ausgelöst durch Zusammenstöße zweier oder mehrerer Galaxien. Damit eröffnen sich neue Wege zum Verständnis der frühen Entwicklung von Galaxien im fernen, jungen Kosmos kurz nach dem Urknall.

In den Galaxien unserer kosmischen Nachbarschaft beobachten wir die Sternentstehung, wie sie in der Gegenwart abläuft. Wir beobachten hier zwei grundlegend verschiedene Arten der Sternentstehung. In mehr oder weniger ungestörten, »normalen« Spiralgalaxien, etwa in unserem eigenen Michstraßensystem, entstehen neue Sterne hauptsächlich in den Spiralarmen und in der galaktischen Scheibe. Hier stehen dafür große Mengen des hauptsächlichen Baumaterials zur Verfügung: molekularer Wasserstoff. In unserer (für unsere kosmische Umgebung recht typischen) Galaxie beträgt die Rate für die Umwandlung von diesem molekularen Gas in neue Sterne einige wenige Sonnenmassen pro Jahr.

Wenn Spiralgalaxien sich infolge einer nahen Begegnung gegenseitig durchdringen, entstehen Sterne während begrenzter Zeiträume von bis zu etwa hundert Millionen Jahren mit einer wesentlich höheren Rate: Bei solchen Zusammenstößen wird das molekulare Gas stark in Richtung des Zentralbereichs der beteiligten Systeme komprimiert und erreicht dort wesentlich höhere Dichten als in gewöhnlichen Spiralgalaxien. Dadurch kann in diesen Zentralbereichen die Rate der Sternentstehung kurzfristig auf mehrere hundert Sonnenmassen pro Jahr ansteigen, sodass das Baumaterial relativ schnell aufgebraucht wird. Galaxien, die wir in diesem Zustand beobachten, bezeichnen die Astronomen als Ultra-Leuchtkräftige InfraRot-Galaxien (ULIRG).

Die Frage lautet nun: Auf welchem Wege ist die Mehrheit der Sterne im jungen Universum entstanden? Damals waren, wie Beobachtungen zeigen, Zusammenstöße zwischen Galaxien wesentlich häufiger als heute, weil die räumliche Dichte der Galaxien höher war (seither hat die kosmische Expansion die Galaxiendichte kontinuierlich herabgesetzt); und die Sternentstehungsrate war auch in gewöhnlichen Galaxien viel höher als heute. Allerdings wurde bisher allgemein angenommen, dass die meisten Sterne im frühen Universum während der durch Zusammenstöße ausgelösten, hochaktiven ULIRG-Phasen entstanden sind. Die Eigenschaften des molekularen Gases konnten nur in den hellsten und seltensten Galaxien (eben den ULIRGS) untersucht werden, und solche Beobachtungen schienen diese Vorstellung zu untermauern.

Die Autoren der hier vorgestellten Arbeit nutzten das Interferometer auf dem Plateau de Bure* mit seinen kürzlich verbesserten, hoch empfindlichen Detektoren für Radiowellen im Millimeterbereich und konnten damit erstmals die Menge des interstellaren molekularen Gases auch in gewöhnlichen, typischen Galaxien des fernen, jungen Universums bestimmen. Die Forscher, darunter Helmut Dannerbauer vom Max-Planck-Institut für Astronomie in Heidelberg, nahmen zwei massereiche, scheibenförmige Galaxien, deren heute beobachtetes Licht 4,3 Milliarden Jahre nach dem Urknall emittiert wurde, aufs Korn und konnten deren Gehalt an molekuarem Gas in beiden Fällen bestimmen.

Die Ergebnisse dieses Projekts sind in einer Arbeit dargestellt, die am 20. Januar 2008 in der Fachzeitschrift Astrophysical Journal Letters erschienen ist – sie haben weitreichende Folgen für unser Verständnis der Prozesse, die für das Wachstum massereicher Galaxien im fernen, frühen Universum maßgeblich sind. Es zeigt sich, dass beide Galaxien gigantische Mengen an molekularem Gas enthalten, während sie sich in ihrer Art Sterne zu bilden kaum von den Galaxien in unserer kosmischen Nachbarschaft unterscheiden – ein hier erstmals festgestellter Befund: Die gewöhnlichen fernen (und damit jungen) Galaxien verhalten sich wie eine vergrößerte Version unserer (recht typischen) Galaxie, in der die Rate der Umwandlung des molekularen Gases in neue Sterne einige wenige Sonnenmassen pro Jahr beträgt. Die fernen Galaxien besitzen ein wesentlich größeres Reservoir an molekularem Gas und ihre Sternbildungsaktivität ist höher, verläuft aber insgesamt mit recht ähnlicher Effizienz.

Diese Entdeckung hilft den Astronomen bei ihren Bemühungen, den allmählichen Aufbau der stellaren Komponente in den Galaxien zu verstehen. Sie spricht dafür, dass Kollisionen zwischen Galaxien nicht der dominante Auslöser der Sternbildung im frühen Kosmos sind. Die hier beschriebenen, neu entdeckten riesigen Reservoirs an molekularem Gas können die Sternbildung in diesen Galaxien über hunderte bis tausende von Millionen Jahren hinweg aufrecht erhalten, zehnmal so lange wie in den bisher allein bekannten, extrem aktiven Objekten im jungen Universum. Das bedeutet, dass ein großer Anteil der Sterne in massereichen Galaxien relativ langsam entstand. Weil die großen Reservoirs an molekularem Gas aufgrund ihrer gravitativen Instabilität zur Fragmentation neigen, erklären die neuen Beobachtungen auch, warum ferne Galaxien ein klumpiges Aussehen haben.

Diese neuen Beobachtungen zeigen auch, dass »normale« Galaxien im fernen Universum, die zehn- bis hundertmal häufiger sind als die bisher untersuchten extrem akiven Galaxien (z.B. die ULIRGS), mit den modernsten Instrumenten bezüglich ihres Gasgehaltes gezielt untersucht werden können. Damit wird sich unser Bild vom allmählichen Aufbau der Galaxien weiter verfeinern und bereichern lassen.


Die Originalarbeit:
Emanuele Daddi(1), Helmut Dannerbauer(2), David Elbaz(1), Mark Dickinson(3), Glenn Morrison(4,5), Daniel Stern(6), S. Ravindranath(7),

Vigorous Star Formation with low Efficiency in Massive Disk Galaxies at z = 1.5,
The Astrophysical Journal Letters, January 20th, 2008.

  1. Service d’Astrophysique, CEA Saclay, Orme des Merisiers, 91191 Gif-sur-Yvette Cedex, France
  2. MPIA, Königstuhl 17, D-69117 Heidelberg, Germany
  3. NOAO, 950 N. Cherry Ave., Tucson, AZ, 85719
  4. Institute for Astronomy, University of Hawaii, Honolulu, HI 96822, USA
  5. Canada-France-Hawaii Telescope, Kamuela, HI, 96743, USA
  6. Jet Propulsion Laboratory, Caltech, Pasadena, CA 91109
  7. IUCAA, Pune University Campus, Pune 411007, Maharashtra, India

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