Maximale Sternentstehung im jungen Kosmos

Wissenschaftler des Max-Planck-Instituts für Astronomie stellten fest: In der Entstehungsphase der Galaxien produzierten die Galaxienkerne mit der maximal möglichen Effizienz neue Sterne

5. Februar 2009

Galaxien – unsere Milchstraße und ihre kosmischen Verwandten – bestehen aus hunderten von Milliarden von Sternen. Doch wie haben sich diese gigantischen Sternansammlungen vor Milliarden von Jahren gebildet? Entstand zuerst ein Zentralbereich mit Sternen, der mit der Zeit anwuchs, oder bildeten sich die Sterne gleichmäßig im ganzen heutigen Volumen der Galaxie? Ein internationales Forscherteam unter der Leitung von Wissenschaftlern des Max-Planck-Instituts für Astronomie fand nun erstmals direkte Hinweise, dass die Sternbildung in einem kleinen Zentralbereich beginnt.

Die Forscher untersuchten eine der entferntesten bekannten aktiven Galaxien, einen Quasar mit der Bezeichnung J1148+5251. Licht von dieser Galaxie erreicht die Erde erst nach einer Reisezeit von 12.8 Milliarden Jahren; heutige Beobachtungen zeigen diese Galaxie daher so, wie sie vor 12.8 Milliarden Jahren aussah, weniger als 1 Milliarde Jahre nach dem Urknall.

Mit Hilfe des IRAM-Interferometers, eines deutsch-französisch-spanischen Radioteleskops, gelang der Nachweis, dass sich damals im Kern von J1148+5251 extrem viele Sterne bildeten – so schnell, wie es nach den Gesetzen der Physik gerade noch zulässig ist. Im Gegensatz zu vorherigen Messungen gelang es zudem, die Ausdehnung des Sternentstehungsgebietes zu messen, die nur rund 4000 Lichtjahre beträgt. Erst damit werden die Abschätzung der Sternentstehungsraten pro Volumen und der Vergleich mit Sternentstehungsmodellen möglich.

Die Ergebnisse werden in der Ausgabe vom 5. Februar 2009 (Band 457, Nr. 7230) der Fachzeitschrift Nature veröffentlicht.


Bilder herunterladen

»Das Ergebnis ist überraschend: in dieser Galaxie entstehen pro Jahr Sterne mit einer Gesamtmasse von über 1000 Sonnenmassen, und das auf einem für astronomische Verhältnisse recht kleinen Gebiet«, so Dr. Fabian Walter, Wissenschaftler am Max-Planck-Institut für Astronomie (MPIA) und Hauptautor des Artikels. Zum Vergleich: zählt man die Massen aller Sterne zusammen, die in unserer Milchstraße entstehen, kommt jedes Jahr nur eine einzige Sonnenmasse dazu. 

Hart am physikalischen Limit
Dass in jungen Galaxien beachtliche Mengen an Sternen entstehen, hatten bereits frühere Messungen zeigen können. Entscheidend ist an den neuen Messungen von Walter und seinen Kollegen, dass auch die Ausdehnung der Sternentstehungsregion bestimmt werden konnte. So kann die Sternentstehungsrate pro Volumen berechnet werden, und erst das ermöglicht den Vergleich mit Sternentstehungsmodellen einerseits, und mit besonders aktiven Sternentstehungsgebieten in unserer eigenen Galaxie andererseits.

Mit der gemessenen Aktivität stoßen die Sternentstehungsgebiete von J1148+5251 (Abb. 1) an die Grenzen des physikalisch Erlaubten. Sterne entstehen, wenn kosmische Wolken aus Staub und Gas unter dem Einfluss der Schwerkraft kollabieren und sich dabei aufheizen. Doch die dabei entstehende Strahlung treibt die Gas- und Staubwolken auseinander und erschwert so weiteren Kollaps und die Bildung weiterer Sterne. Daraus ergibt sich eine Obergrenze dafür, wieviele Sterne in einer gegebenen Raumregion in gegebener Zeit überhaupt entstehen können.

Diese Obergrenze wird von den beobachteten Sternregionen erreicht. Fabian Walter weiter: »In unserer Milchstraße finden sich solche extremen Verhältnisse nur in ungleich kleineren Regionen, beispielsweise in Teilen des Orionnebels. Aber was wir beobachtet haben, entspricht einer Ansammlung von 100 Millionen Orion-Regionen.«

Abbildung 1: Falschfarbenaufnahme der Galaxie J1148+5251, aufgenommen mit den Radioteleskopen des Very Large Array in New Mexiko.
(NRAO/AUI/NSF)

Abbildung 2: In der Region Orion-KL im Orionnebel ist die Sternentstehungsaktivität ähnlich hoch wie in der Zentralregion von J1148+5251 – allerdings auf ein ungleich kleineres Volumen beschränkt.
(NASA, ESA, Robberto (STScI/ESA), Orion Treasury Project Team)

Entstehung von innen heraus
Walter und seine Kollegen konnten solch extreme Verhältnisse erstmals auf galaktischen Größenskalen nachweisen – im Widerspruch zu einigen bisherigen Schätzungen, die für die maximale Sternentstehungsrate in Galaxien auf einen 10mal kleineren Grenzwert kamen.

Soviel Aktivität auf so geringem Raum ist noch aus einem anderen Grunde von Interesse. Sie zeigen nämlich, dass die Sternansammlung in dieser Galaxie offensichtlich von innen heraus entsteht: Am Anfang steht eine Kernregion, in der besonders viele Sterne entstehen. Erst im Laufe der Zeit wächst der mit Sternen gefüllte Zentralbereich – etwa durch Kollisionen und Verschmelzungen mit anderen Galaxien – und erreicht die ungleich größere Ausdehnung, die für ältere Galaxien charakteristisch ist. Dieses Ergebnis ist für die theoretische Modellierung der Galaxienentwicklung von großer Bedeutung.

Eine Ein-Euro-Münze aus 18 Kilometer Entfernung
Dreh- und Angelpunkt bei der Bestimmung der Aktivität und bei den Rückschlüssen auf die Galaxienentstehung ist, dass es den Forschern gelang, die Zentralregion der fernen Galaxie tatsächlich abzubilden. Diesem Vorhaben legt die Natur freilich eine Reihe von Steinen in den Weg. Zunächst einmal ist die betreffende Galaxie fast 13 Milliarden Lichtjahre entfernt (Rotverschiebungswert z = 6.42). Bei dieser Entfernung hat das Sternentstehungsgebiet mit seinem Durchmesser von 4000 Lichtjahren einen Winkeldurchmesser von nur 0.27 Bogensekunden – so groß wie eine aus rund 18 Kilometer Entfernung betrachtete Ein-Euro-Münze. Hinzu kommt ein Handicap, das sich aus der Wellennatur elektromagnetischer Strahlung ergibt: Bei der zur Beobachtung von Sternentstehungsgebieten geeigneten Wellenlänge von rund einem Millimeter ist es über Tausend Mal schwieriger, feine Details abzubilden, als im Bereich des sichtbaren Lichts.

Dass die hier beschriebenen Beobachtungen trotzdem möglich wurden, ist einem Zusammentreffen günstiger Umstände zu verdanken: zumindest bei einer bestimmten Frequenz, die für ionisierte Kohlenstoff-Atomen charakteristisch ist, überstrahlen die Sternentstehungsgebiete den aktiven, leuchtstarken Kern von J1148+5251; dank der Expansion des Universums (kosmologische Rotverschiebung) erreicht diese Strahlung die Erde in Form von Radiowellen, die mit geeigneten Teleskopen nachweisbar sind, und dank der technischen Weiterentwicklung des deutsch-französisch-spanischen IRAM-Interferometers, eines Verbund-Radioteleskops auf dem Plateau de Bure in den französischen Alpen, rückten die hier beschriebenen Messungen in den Bereich des Machbaren (siehe hierzu auch die Hintergrundinformation Hi-Tech und Schützenhilfe vom Universum).

Abbildung 3: Das IRAM-Interferometer auf dem Plateau de Bure in den französischen Alpen. Im Hintergrund die südöstlichen Ausläufer der französischen Alpen.
(I RAM/Rebus)

Abbildung 4: Vier Antennen des IRAM-Interferometers auf dem Plateau de Bure.
(I RAM/Rebus)

Zukünftige Teleskope
Die Messungen am IRAM-Interferometer sind auch als Testfall für zukünftige Teleskopprojekte von Bedeutung, insbesondere für das derzeit im Aufbau befindliche ALMA (das Atacama Large Millimeter Array in Nordchile). Dass sich die Linie des einfach ionisierten Kohlenstoffs nutzen lässt, um die Sternentstehungsgebiete weit entfernter Galaxien nachzuweisen und abzubilden, ist wichtige Voraussetzung für das geplante ALMA-Beobachtungsprogramm. Mit den hier beschriebenen Messungen konnte diese Beobachtungstechnik jetzt erstmals praktisch demonstriert werden. In den Worten von Fabian Walter: »Das Studium von Galaxien in der Frühphase der kosmischen Entwicklung, rund eine Milliarde Jahre nach dem Urknall, wird in den nächsten Jahren ein zentrales Forschungsgebiet der Astronomie sein. Unsere Messungen eröffnen einen neuen Weg, um die Sternentstehung im jungen Universum zu charakterisieren.«



Beteiligte Institute:
Max-Planck-Institut für Astronomie, Heidelberg
Argelander Institut für Astronomie, Bonn
Max-Planck-Institut für Radioastronomie, Bonn
California Institute of Technology, Pasadena, USA
Institut de Radio Astronomie Millimetrique, Saint Martin d’Herès, Frankreich
Istituto Nazionale di Astrofisica, Osservatorio di Roma, Italien
National Radio Astronomy Observatory, Socorro, USA

[Zurück nach oben]


Zum Herunterladen

[Zurück nach oben]

Zur Redakteursansicht