Zum Start der HERSCHEL-Mission

Max-Planck-Institute sind am größten jemals gebauten Weltraumteleskop beteiligt.

5. Mai 2009

Der Countdown für HERSCHEL läuft: Am 14. Mai soll der Satellit der europäischen Raumfahrtagentur ESA starten und in den nächsten dreieinhalb Jahren 1.5 Millionen Kilometer von der Erde entfernt um die Sonne kreisen. Mit ihren Instrumenten wird die Raumsonde dabei vor allem infrarotes Licht einfangen und untersuchen. An Bord trägt HERSCHEL zwei Instrumente, die Forscher aus den Max-Planck-Instituten für extraterrestrische Physik, für Astronomie, für Radioastronomie und für Sonnensystemforschung mitentwickelt haben.

Das All offenbart viele seiner Geheimnisse im Infraroten. Denn wie jedes Objekt auf der Erde senden auch die eiskalten Nebel, Galaxien und Sterne aus den Tiefen des Alls infrarote Wärmestrahlen aus – wegen der niedrigen Temperaturen jedoch bei einer deutlich größeren Wellenlänge als etwa ein Mensch oder ein schlecht isoliertes Haus. Die Erdatmosphäre ist für diese Wellenlängen undurchlässig. Die Instrumente an Bord der Raumsonde HERSCHEL untersuchen den Weltraum im Wellenlängenbereich von 55 bis 672 Mikrometer. Eine solche Bandbreite hat bisher noch kein anderes Infrarot-Observatorium geboten.

Erstmals können die Wissenschaftler damit den diffusen Infrarot-Hintergrund in seine einzelnen Quellen auflösen und daraus die Entwicklung des Weltalls erschließen. HERSCHEL soll Aufschluss geben über die Entstehung der Sterne und Galaxien, die Bildung von Planetensystemen, die Geschichte unseres eigenen Sonnensystems und die chemische Zusammensetzung von Molekülwolken, Sternen und Galaxien.

An zwei der drei wissenschaftlichen Geräte waren Max-Planck-Forscher maßgeblich beteiligt: So wurde das Instrument PACS vom Max-Planck-Institut für extraterrestrische Physik (MPE) in Garching zusammen mit dem Max-Planck-Institut für Astronomie (MPIA) in Heidelberg und weiteren Partnern aus sechs europäischen Ländern entwickelt und gebaut. HIFI wurde in einem weltumspannenden Konsortium entwickelt, koordiniert von dem niederländischen Institute for Space Research und unter wesentlicher Beteiligung des Max-Planck-Institute für Radioastronomie (MPIfR) in Bonn, für Sonnensystemforschung (MPS) in Katlenburg-Lindau sowie der Universität zu Köln.

PACS (»Photodetector Array Camera and Spectrometer«) arbeitet mit nie zuvor erreichter Genauigkeit und Sensitivität im fernen Infraroten, zwischen 57 und 210 Mikrometern. »Zum ersten Mal ist es uns gelungen, für diesen immer noch exotischen Wellenlängenbereich relativ großformatige, hochempfindliche Detektoren zu entwickeln, mit denen wir zum einen in drei breiteren Wellenlängenbereichen quasi Farbbilder bei diesen langen Wellenlängen aufnehmen können; zum anderen haben wir damit ein neuartiges optisches Instrument gebaut, das es uns erlaubt, ein Gebiet am Himmel gleichzeitig in einzelne Bildpunkte aufzulösen und dabei jeden Bildpunkt sehr fein in einzelne Spektralfarben, also Wellenlängen, zu zerlegen«, sagt Albrecht Poglitsch, Wissenschaftler am MPE und PACS-Projektleiter.

Sterne entstehen im Inneren riesiger Staub- und Gaswolken, in die man mit sichtbarem Licht nicht hineinschauen kann. Infrarotlicht durchdringt den Staub und eröffnet den Astronomen ein gänzlich anderes Universum als im sichtbaren Licht beobachtbar. Mit seinen hochempfindlichen Detektoren fängt PACS die schwache Wärmestrahlung von nur wenigen Grad über dem absoluten Nullpunkt (minus 273,15 Grad Celsius) ein, die im frühen Stadium der Sternentstehung vom sogenannten Protostern, der Vorstufe des Sterns, ausgesandt wird und bietet den Forschern auf diese Weise tiefe Einblicke in das Kindheitsstadium der Sterne. »Mit seinem gewaltigen 3.5-Meter-Spiegel wird uns HERSCHEL schärfere Detailaufnahmen solcher Protosterne liefern als jemals zuvor«, freut sich Oliver Krause vom MPIA in Heidelberg.

Auch für das Verständnis der transneptunischen Region – Überreste der Scheibe, aus der unsere Planeten geboren wurden – eröffnen sich mit HERSCHEL neue Möglichkeiten. Pluto ist der bekannteste, allerdings inzwischen nicht mehr der größte Vertreter dieser Gürtelregion jenseits von Neptun; inzwischen finden sich mehr als 1300 Transneptunische Objekte (TNO) in den Katalogen. Die TNO sind seit der Frühzeit des Sonnensystems praktisch unverändert und aufgrund der großen Entfernung zur Sonne sehr kalt – wodurch sie ins Blickfeld von HERSCHEL rücken.

HIFI (»Heterodyne Instrument for the Far-Infrared«) ist das mächtigste je für Beobachtungen im fernen Infrarotbereich entwickelte hochauflösende Spektrometer. Dabei soll das Instrument auch noch die schwächsten spektralen »Fingerabdrücke« aufzeichnen, die jedes Atom und jedes Molekül des interstellaren Gases hinterlässt. Anders als in vielen Laborexperimenten ist das empfangene Signal in aller Regel extrem schwach und liegt an der Nachweisgrenze selbst der empfindlichsten Detektoren, wie sie nun bei HIFI zum Einsatz kommen.

Da es keine Möglichkeit zur direkten Registrierung dieser feinen Frequenzstrukturen im Infraroten gibt, kommt zur weiteren Signalverarbeitung das Heterodyn-Prinzip zur Anwendung. Hierbei wird die Frequenz des empfangenen Signals durch Überlagerung (»Mischen«) mit einer Referenzwelle in den klassischen Radiobereich verschoben, wo die weitere Signalverarbeitung erfolgt. Das Heterodyn-Prinzip ermöglicht es, mit HIFI noch den millionsten Teil der einfallenden Strahlung spektral aufzulösen.

Das Prinzip ist seit den Anfängen der drahtlosen Kommunikation bekannt und kommt heute in jedem UKW-Radio vor. »Die technische Herausforderungen bestand darin, dieses Prinzip bei 10 000-fach kürzeren Wellenlängen, also im Fern-Infraroten, zu realisieren« sagt Thomas Klein vom MPIfR. Zehn Jahre lang hat ein internationales Konsortium unter Leitung des MPIfR gemeinsam mit der US-Raumfahrtbehörde NASA zunächst die erforderlichen technischen Grundlagen geschaffen.

Ein Kernstück von HIFI ist ein sogenanntes Akusto-Optisches Spektrometer (AOS), das am MPS in Zusammenarbeit mit der Universität zu Köln gebaut wurde. Seine Besonderheit besteht darin, dass der bisher erfassbare Spektralbereich vervierfacht wurde und sich gleichzeitig der Leistungsverbrauch auf nahezu ein Zehntel reduzieren ließ.

HIFI öffnet ein neues astronomisches Fenster: Es macht zahlreiche, für das Verständnis der Vorgänge im Weltraum wichtige molekulare und atomare Übergänge messbar. »Das Instrument ermöglicht unter anderem die Beobachtung des interstellaren und planetaren Wassers, dessen Strahlung ansonsten vollständig in der Erdatmosphäre absorbiert wird und liefert Einblicke in das kalte Universum, von den Kometen und dem Planetensystem bis zu den Prozessen der Stern- und Galaxienbildung«, sagt Rolf Güsten vom MPIfR. Und Paul Hartogh, Forscher am MPS, ergänzt: »Von großer Wichtigkeit ist die Bestimmung der im Wasser enthaltenen Wasserstoff- und Sauerstoff-Isotope sowohl in Kometen als auch in Planetenatmosphären. Daraus lassen sich wichtige Rückschlüsse auf die Frühgeschichte des Sonnensystems und die Entwicklung der Planetenatmosphären gewinnen.«

Um den störenden Einfluss von Sonne, Mond und Erde zu minimieren, wird HERSCHEL am sogenannten zweiten Lagrange-Punkt (L2) stationiert. Dieser Punkt liegt 1,5 Millionen Kilometer weit in gerader Verlängerung der Verbindungslinie Erde – Sonne und läuft einmal im Jahr synchron mit der Erde um die Sonne. Alle drei Störquellen, Sonne, Mond und Erde, liegen von dort aus gesehen ungefähr in derselben Richtung und können daher hinter einem »Sonnenschirm« versteckt werden.

Die Instrumente an Bord des Satelliten müssen bei Temperaturen von 0,3 bis 2 Grad über dem absoluten Nullpunkt betrieben werden. Für die Kühlung sorgen 2000 Liter supraflüssiges Helium, das zugleich die Missionsdauer des Riesenteleskops begrenzt: In etwa dreieinhalb Jahren wird das Helium aufgebraucht sein – und HERSCHEL erblinden.

[Zurück nach oben]


[Zurück nach oben]


Weitere Links

http://www.esa.int/SPECIALS/Herschel/index.html
http://herschel.esac.esa.int/Key_Programmes.shtml
http://pacs.mpe.mpg.de
http://www.mpifr.de/div/submmtech/index.html
http://www.mps.mpg.de/projects/herschel/HssO/index.htm

[Zurück nach oben]

Zur Redakteursansicht