Ein Exoplanet aus einer anderen Galaxie

18. November 2010

Astronomen haben den ersten Exoplaneten entdeckt, der aus einer anderen Galaxie stammt. Der Heimatstern des Planeten gehörte zu einer Zwerggalaxie, die vor Milliarden von Jahren von unserer eigenen Galaxie, der Milchstraße, verschluckt wurde. Interesssanterweise kreist der jupiterähnliche Planet um einen Stern, der sich dem Ende seines Lebens nähert. Der Planet scheint dabei bereits die Expansion des Sterns zu einem so genannten Roten Riesenstern überlebt zu haben – interessant auch deswegen, weil unserem Sonnensystem in ferner Zukunft ein ähnliches Schicksal bevorsteht. Die Ergebnisse werden am 18. November in Science Express veröffentlicht.

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Im Laufe der letzten 15 Jahre haben Astronomen fast 500 Exoplaneten entdeckt, die Sterne in unserer kosmischen Nachbarschaft umkreisen. Jetzt gelang es erstmals, einen Exoplaneten nachzuweisen, der offenbar aus einer anderen Galaxie stammt.

Der Planet hat die Bezeichnung HIP 13044 b bekommen, besitzt mindestens 1,25 Mal soviel Masse wie Jupiter und umkreist den Stern HIP 13044, der von der Erde aus gesehen in einer Entfernung von rund 2000 Lichtjahren im südlichen Sternbild »Chemischer Ofen« (lat. Fornax) steht. Der Planet wurde mit der so genannten Radialgeschwindigkeits-methode entdeckt, die misst, wie sich ein Stern aufgrund der Gravitationsanziehung eines um ihn kreisenden Planeten periodisch ein wenig auf die Erde zu und wieder von ihr weg bewegt. Für HIP 13044 gelang diese Messung mit dem leistungsfähigen Spektrografen FEROS, der am 2,2-Meter-MPG/ESO-Teleskop am La Silla-Observatorium der europäischen Südsternwarte installiert ist.

Der Stern und sein Planet waren ursprünglich Teil einer Zwerggalaxie, die vor sechs bis neun Milliarden Jahren von unserer Heimatgalaxie, der Milchstraße, geschluckt wurde – ein für die Entwicklung solcher Sternsysteme nicht untypischer Akt galaktischen Kannibalismus. Reste der »verschlungenen« Galaxie bleiben dabei oft für Milliarden von Jahren sichtbar, beispielsweise als langgestreckte Sternströme. Auch HIP 13044 ist Teil eines solchen Sternstroms der Milchstraße, des sogenannten Helmi-Stroms.

»Dies ist eine für uns sehr aufregende Entdeckung« sagt Rainer Klement vom Max-Planck-Institut für Astronomie (MPIA), der die für die hier beschriebenen Studie beobachteten Sterne ausgesucht hat. »Erstmals haben wir in einem Sternstrom, in einem Überrest einer anderen Galaxie ein Planetensystem gefunden. Aufgrund der großen Entfernung selbst der uns nächsten Galaxien ist es unmöglich, dort sicher Planeten nachzuweisen. Doch dank der Verschmelzung dieser Zwerggalaxie mit unserer eigenen haben wir jetzt einen extragalaktischen Planeten in Reichweite unserer Teleskope.« [1]

Das neu entdeckte System hat eine Reihe ungewöhnlicher Eigenschaften.»Unsere Entdeckung gelang im Rahmen einer systematischen Suche nach Exoplaneten, deren Heimatsterne sich dem Ende ihres Lebens nähern« sagt Johny Setiawan (MPIA), der Leiter des Forschungsprojekts. Während HIP 13044 unserer Sonne ursprünglich recht ähnlich gewesen sein dürfte, hat er vor einiger Zeit die »Rote-Riesen-Phase« der Sternentwicklung durchlaufen, während derer ein Stern abkühlt und seine Hülle sich auf einige hundert Mal der Größe unserer Sonne aufbläht. Anschließend erreichte der Stern seinen vergleichsweise ruhigen heutigen Zustand, der insgesamt einige Millionen Jahre dauern dürfte. In dieser Phase gewinnt der Stern seine Leuchtkraft aus der Kernfusion von Helium zu schwereren Elementen.

Dass der Exoplanet das Rote-Riesen-Stadium seines Sterns überlebt hat, ist auch im Hinblick auf unser eigenes Sonnensystem von Interesse, denn auch unsere Sonne wird in rund fünf Milliarden Jahren zu einem Roten Riesenstern werden. Setiawan und seine Kollegen vermuten, dass die derzeit sehr enge Umlaufbahn von HIP 13044 b (der durchschnittliche Abstand des Planeten von seinem Stern beläuft sich auf ganze 12 Prozent des Abstandes Erde-Sonne, mit einer Umlaufzeit von nur 16,2 Tagen) ursprünglich deutlich größer war, und dass sich der Planet während der Rote-Riesen-Phase auf seinen Stern zubewegt hat.

Es gibt Anzeichen dafür, dass auch die inneren Planeten des Systems ihrem Stern in dieser Phase näher gerückt sind – und dies nicht überlebt haben »Für einen Stern dieses speziellen Typs rotiert HIP 13044 vergleichsweise schnell«, so Setiawan weiter.»Das lässt sich erklären, wenn der Stern seine inneren Planeten verschluckt hat, als er ein Roter Riese war; dadurch hätte sich seine Rotation beschleunigt.« Auch die Tage von HIP 13044 b dürften gezählt sein. In der nächsten Entwicklungsphase steht eine weitere Expansion des Sterns an, und dann dürfte auch dieser Planet verschluckt werden.

Anhand eines einzigen Beispiels ist schwer zu beurteilen, wie repräsentativ dieses Schicksal eines Planetensystems ist. Genauere Schlüsse – auch zur Zukunft unseres eigenen Planetensystems – werden sich erst ziehen lassen, wenn eine deutlich größere Zahl von Planeten entdeckt worden ist, die Gestirne in den späten Phasen des Sternlebens umkreisen. Nach genau solchen weiteren Planeten suchen Setiawan und seine Kollegen im Rahmen ihres derzeitigen Projekts.

Das letzte Rätsel um das neu entdeckte System betrifft den Umstand, dass der Stern HIP 13044 kaum Elemente zu enthalten scheint, die schwerer sind als Wasserstoff oder Helium (im Sprachgebrauch der Astronomen ist er "extrem metallarm", und insbesondere ärmer an schwereren Elementen als jeder andere Heimatstern bislang entdeckter Exoplaneten). Setiawan fügt hinzu: »In dem derzeit favorisierten Modell der Planetenentstehung ist schwer zu erklären, wie sich um einen Stern, der so wenig schwere Elemente enthält, überhaupt ein Planet gebildet haben kann.«

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Hintergrundinformationen

Die hier beschriebenen Ergebnisse werden in der Fachzeitschrift Science veröffentlicht. Eine Online-Version wird vorab am 18. November 2010 in Science Express als Setiawan et al., "A Giant Planet Around a Metal-poor Star of Extragalactic Origin" erscheinen. Die beteiligten Forscher sind Johny Setiawan, Rainer J. Klement, Thomas Henning, Hans-Walter Rix, Boyke Rochau und Tim Schulze-Hartung (alle Max-Planck-Institut für Astronomie) sowie Jens Rodmann (European Space Agency).



Endnote

[1]
Aufgrund der großen Abstände sind selbst die besten heutigen Teleskope nicht annähernd in der Lage, systematisch Exoplaneten in anderen Galaxien zu beobachten. Einige Astronomen haben allerdings den Nachweis von extragalaktischen Exoplaneten mit dem so genannten "Mikro-Gravitationslinseneffekt" behauptet: Dabei führt der Umstand, dass ein Stern A von der Erde aus gesehen vor einem noch ferneren Stern B vorbeiläuft, zu einem winzigen Helligkeitsanstieg. Bestimmte Charakteristika dieses Helligkeitsanstiegs weisen darauf hin, dass der Stern A einen Planeten besitzt. Allerdings kommt es nur sehr selten und nur durch Zufall vor, dass die zwei Sterne relativ zu irdischen Beobachtern genau richtig ausgerichtet sind, und sie sind dies nur zu einem einzigen Zeitpunkt. Nachprüfbare Beobachtungen von extragalaktischen Exoplaneten sind auf diese Weise nicht möglich.

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Fragen und Antworten

Wie wurde der Planet nachgewiesen?
Indirekt, über die so genannte Radialgeschwindigkeitsmethode. Wird ein Stern von einem Planeten umkreist, dann bewirkt die Anziehungskraft des Planeten winzige Positionsänderungen des Sterns – Stern und Planet umkreisen den gemeinsamen Schwerpunkt des Systems. Ist die Sternumlaufbahn so orientiert, dass sich der Stern dabei periodisch auf die Erde zu und von ihr weg bewegt, wird das Sternenlicht durch den so genannten Dopplereffekt jeweils zu etwas kürzeren Wellenlängen (Blauverschiebung) bzw. längeren Wellenlängen (Rotverschiebung) verschoben. Mit Hilfe genauer Untersuchungen des Sternenlichts (genauer: der darin enthaltenen Spektrallinien) lassen sich diese Wellenlängenverschiebungen nachweisen. So kann man auf die Bewegung des Sterns zurück schließen und indirekt die Anwesenheit sowie bestimmte Eigenschaften des Planeten nachweisen.

Welche Instrumente und Teleskope wurden eingesetzt?
Die Beobachtungen wurden mit dem hochauflösenden Spektrografen FEROS (für "Fibre-fed Extended Range Optical Spectrograph", wörtlich der "Über Lichtleiter angeschlossener optischer Spektrograf mit besonders großem Messbereich") am 2,2-Meter-MPG/ESO-Teleskop durchgeführt. Das Teleskop ist Teil des La Silla-Observatoriums der Europäischen Südsternwarte (ESO) in Chile. Es ist eine Leihgabe der Max-Planck-Gesellschaft an die ESO, und seit 1984 in Betrieb.

Was lernen wir daraus über die Existenz von Planeten in anderen Galaxien?
Um ehrlich zu sein: wenig, das die Astronomen nicht bereits vorher vermutet hätten. Es gab keinen Grund anzunehmen, dass Sterne in anderen Galaxien nicht von Planeten umkreist werden, ähnlich wie es vor 1995 keinen Grund gab anzunehmen, dass es in unserer Galaxie außer unserer Sonne keine weiteren sonnenähnlichen Sterne mit Planetensystemen gibt. Trotzdem ist es natürlich aufregend, jetzt eine direkte Bestätigung für diese Annahme zu haben, wenn auch nur für den Spezialfall einer von unserer Milchstraße geschluckten Zwerggalaxie.

Wie ist dieser Planet in unsere Heimatgalaxie gelangt?
Spiralgalaxien wie unsere Milchstraße wachsen, indem sie sich kleinere, so genannte Zwerggalaxien einverleiben (vgl. diese MPIA-Pressemitteilung). Im Verlaufe solcher Akte galaktischen Kannibalismus wird die Zwerggalaxie stark verzerrt. Ein typisches Ergebnis sind so genannte "Sternströme", längliche Bänder aus Sternen, die um die größere Galaxie gewickelt zu sein scheinen. Im Laufe von Milliarden von Jahren werden diese Sternströme immer undeutlicher, da sich ihre Sterne mehr und mehr mit den vorher vorhandenen Sternen der größeren Galaxie vermischen. Im Falle von HIP 13044 ist der Sternstrom deutlich nachweisbar – es handelt sich um den gut untersuchten Helmi-Strom, und HIP 13044 ist eindeutig Teil dieses Stroms. Schätzt man das Alter von HIP 13044 aufgrund der gängigen Modelle der Sternentwicklung ab, dann war der Stern bereits vor dem Verschmelzungsvorgang Bestandteil der ursprünglichen Zwerggalaxie; für seinen Planeten gilt dasselbe, so dass wir es in der Tat mit einem Exoplaneten aus einer anderen Galaxie zu tun haben.

Was bedeutet die Entdeckung für die Zukunft unseres Sonnensystems?
Rund 90% der bislang entdeckten Exoplaneten umkreisen Sterne, die sich wie unsere Sonne  in der so genannten"Hauptreihenphase" der Sternentwicklung befinden. In dieser vergleichsweise ruhigen Phase beziehen sonnenähnliche Sterne ihren Energienachschub über Milliarden von Jahren hinweg aus der Verschmelzung von Wasserstoff- zu Heliumkernen. HIP 13044 befindet sich im Vergleich dazu in einer sehr späten Entwicklungsphase (im Sprachgebrauch der Astronomen ist er ein "Stern auf dem Horizontalast [des Hertzsprung-Russell-Diagramms]"). Inbesondere ist HIP 13044 b ein Planet, der die Rote-Riesen-Phase seines Heimatsterns überlebt hat, die auf die Hauptreihenphase folgt und während derer sich der Stern auf ein Vielfaches seiner ursprünglichen Größe aufbläht. Das ist auch für unser Sonnensystem von Interesse, denn auch unsere Sonne wird sich in rund 5 Milliarden Jahren zu einem Roten Riesenstern aufblähen. Die enge Umlaufbahn des jupiterähnlichen Planeten HIP 13044 b könnte ein Hinweis darauf sein, dass auch die äußeren Planeten unseres eigenen Systems die Rote-Riesen-Phase auf sonnennäheren Umlaufbahnen überleben werden. Um hier belastbare Vorhersagen zu treffen, sind allerdings noch deutlich mehr Beispiele für Exoplaneten nötig, die Sterne in derart späten Entwicklungsphasen umkreisen. Nach genau solchen Planeten suchen Setiawan und seine Kollegen bei dem Projekt, in dessen Rahmen sie HIP 13044 b entdeckt haben.

Was hat es mit dem geringen Gehalt an schweren Elementen auf sich?
Im Sprachgebrauch der Astronomen – abweichend vom Sprachgebrauch z.B. der Chemiker –  werden alle Elemente schwerer als Wasserstoff und Helium "Metalle" genannt. HIP 13044 ist extrem metallarm – er enthält weniger als 1% soviel an Metallen wie die Sonne. Doch in dem derzeit favorisierten Modell der Planetenentstehung ("core accretion") ist es sehr ungewöhnlich, dass ein derart metallarmer Stern überhaupt einen Planeten besitzt. Die Vorhersage dieses Modells lautet: je höher der Metallreichtum eines Sterns, desto wahrscheinlicher die Entstehung von Planeten. Dass HIP 13044 einen Planeten besitzt, kann man als Hinweis auf alternative Mechanismen der Planetenentstehung (z.B. "gravitative Instabilität") werten, mit denen sich selbst um sehr metallarme Sterne Planeten bilden können.

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