Direkte Einblicke in die Geburtsstätten von Planeten

17. Februar 2011

Neue Beobachtungen mit dem SUBARU-Teleskop auf Hawaii haben die bislang detailliertesten Bilder von den protoplanetaren Scheiben zweier junger Sterne geliefert. Erstmals werden dabei Strukturen von ungefähr der gleichen Größe wie unser eigenes Sonnensystem sichtbar: Ringe und Aussparungen in der Scheibe, die mit der Entstehung von Riesenplaneten zusammenhängen. Die Beobachtungen sind Teil einer systematischen Durchmusterung mit dem Instrument HiCIAO, einer Hochkontrast-Kamera, die auf die Suche nach Exoplaneten und protoplanetaren Scheiben spezialisiert ist.

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Planetensysteme wie unser Sonnensystem sind Nebenprodukte der Sternentstehung. Sie bilden sich wenn die Gravitationskraft des neugeborenen Sterns Gas und Staub aus der näheren Umgebung zu einer dichten, abgeplatteten Scheibe sammelt, die den Stern umgibt. Materieklumpen in dieser Scheibe ziehen mehr und mehr Gas und Staub an sich und werden so über Jahrmillionen zu den Objekten, die wir Planeten nennen. In den vergangenen Jahren hat die Erforschung solcher »protoplanetaren Scheiben« beachtliche Fortschritte erzielt – zum einen bei (meist indirekten) Beobachtungen, zum anderen beim theoretischen Verständnis und bei der Simulation solcher Objekte. Nun haben zwei neue Beobachtungen dem Gesamtbild wichtige neue Details hinzugefügt und Bilder von Strukturen geliefert, die noch nie zuvor direkt abgebildet worden waren.

Zielobjekt der ersten Studie war der Stern LkCa 15, der rund 450 Lichtjahre von der Erde entfernt im Sternbild Stier gelegen ist. Mit einem Alter von nur wenigen Millionen Jahren ist LKCa15 ein sehr junger Stern (zum Vergleich: Unsere Sonne ist rund eintausend Mal so alt). Aus vorangehenden Beobachtungen des Infrarotspektrums des Systems, sowie der Millimeterstrahlung, die es aussendet, hatten Wissenschaftler erschlossen, dass es im Zentrum der protoplanetaren Scheibe eine große, weitgehend materiefreie Aussparung gibt. Die neuen Bilder zeigen Sternenlicht, das an der Scheibenoberfläche so reflektiert wird, dass die scharfe Kante dieser Aussparung erstmals direkt sichtbar wird. Interessanterweise ist die elliptische Form der Aussparung nicht um den Stern herum zentriert, sondern etwas verschoben.

»Die wahrscheinlichste Erklärung für die Aussparung in der Scheibe von LkCA 15 – und insbesondere für deren Asymmetrie – ist, dass dort mehrere Planeten kreisen, die gerade erst aus dem Scheibenmaterial entstanden sind und nun das Gas und den Staub entlang ihrer Umlaufbahnen einfangen« sagt Christian Thalmann, der die Untersuchungen leitete, damals noch als wissenschaftlicher Mitarbeiter am Max-Planck-Institut für Astronomie (MPIA). Die Aussparung ist dabei so groß, dass die Umlaufbahnen aller Planeten in unserem eigenen Sonnensystem bequem darin Platz fänden. Da liegt die Spekulation nahe, dass sich bei LkCa 15 in dieser Lücke ein unserem eigenen Sonnensystem vergleichbares Planetensystem bildet. »Die Planeten selbst wurden noch nicht nachgewiesen«, so Thalmann. »Aber das könnte sich bald ändern.«

Die zweite Studie, unter der Leitung von Jun Hashimoto (Nationalobservatorium Japan), widmete sich dem Stern AB Aur im Sternbild Fuhrmann, 470 Lichtjahre von der Erde entfernt. Dieser Stern ist sogar noch jünger: nur rund eine Million Jahre alt. Die neuen Beobachtungen zeigten hier erstmals Strukturen, die im kosmischen Maßstab vergleichsweise klein sind, nämlich nicht größer als unser eigenes Sonnensystems (zum Vergleich: bei einem Abstand von 470 Lichtjahren hat unser Sonnensystem die gleiche scheinbare Größe wie ein Ein-Euro-Stück, das man aus mehr als 10 km Entfernung betrachtet). Die Beobachtungen zeigen ineinander verschachtelte Ringe aus Gas und Staub, die gegenüber der Äquatorebene des Systems verkippt sind und deren Material wiederum nicht symmetrisch um den Stern herum angeordnet ist – beide Eigenschaften deuten auf das Vorhandensein mindestens eines sehr massereichen Planeten hin.

Die Beobachtungen wurden jeweils mit dem HiCIAO-Instrument am 8,2-Meter SUBARU-Teleskop gemacht. Scheiben und Planeten in der direkten Umgebung von Sternen stellen an die Beobachtungstechnik höchste Ansprüche, da diese lichtschwachen Objekte von den Sternen schlicht überstrahlt werden. HiCIAO gelingen solche Beobachtungen, indem das Instrument zum einen den störenden Einfluss der Erdatmosphäre weitgehend ausgleicht, zum anderen einen Großteil des Sternenlichts mechanisch ausblendet.

Die hier geschilderten Untersuchungen sind Teil des SEEDS-Projekts, »Strategic Explorations of Exoplanets and Disks with SUBARU« (wörtlich die »Strategischen Erkundungen von Exoplaneten und Scheiben mit SUBARU«). Thomas Henning, geschäftsführender Direktor am MPIA und einer der an SEEDS beteiligten Wissenschaftler, erklärt: »SEEDS ist eine auf fünf Jahre angelegte, systematische Suche nach Exoplaneten und protoplanetaren Scheiben. Bereits jetzt hat das SUBARU-Teleskop im Rahmen dieses Projekts spektakuläre Bilder geliefert. Solche detailreichen Beobachtungen sind unverzichtbar, wenn wir verstehen wollen, wie Planetensysteme – inklusive unseres eigenen Sonnensystems – entstehen.«

An SEEDS nehmen rund 100 Wissenschaftler von 25 astronomischen Institutionen in Asien (NAOJ und weitere), Europa (MPIA und weitere) und den USA (Princeton University und weitere) teil.

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Hintergrundinformationen

Die Ergebnisse wurden veröffentlicht als

Thalmann, C., et al. 2010, »Imaging of a Transitional Disk Gap in Reflected Light: Indications of Planet Formation Around the Young Solar Analog LkCa 15« in Astrophysical Journal Letters 718, S. L87-L91 [ADS-Eintrag]

Hashimoto, J. et al. 2011, »Direct Imaging of Fine Structures in Giant Planet-forming Regions of the Protoplanetary Disk Around AB Aurigae« in Astrophysical Journal Letters 729, S. L17 [ADS-Eintrag]

Das SEEDS-Projektteam besteht aus rund 100 Forschern aus 25 Institutionen in Japan, Europa, den USA und Taiwan. Die teilnehmenden Institute sind: in Japan NAOJ, Graduate University of Advanced Studies, Universität Air, Universität Hokkaido, Universität Tohoku, Universität Ibaraki, Universität Saitama, Universität Tokio, Tokyo Institute of Technology, ISAS, Universität Kanagawa Universität Nagoya, Universität Osaka, Nagoya City College, Universität Kobe; in Europa: Max-Planck-Institut für Astronomie, University of Hertfordshire (UK), Université de Nice-Sophia Antipolis Parc Valrose (Frankreich), CSIC-INTA (Spanien); in den USA: Princeton University, University of Hawaii, NASA/JPL, NASA/Goddard, University of Washington, the College of Carleston; in Taiwan: Academia Sinica Institute of Astronomy and Astrophysics.

Die Forschung wird von einem Grant-in-Aid for Specially Promoted Research 22000005 des MEXT (Ministry of Education, Culture, Sports, Science and Technology of Japan) unterstützt.

SEEDS-Pressemitteilung des NAOJ.

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Fragen und Antworten

Was sind protoplanetare Scheiben?
Sterne und ihre Planeten entstehen, wenn Molekülwolken, die Gas und Staub enthalten, unter ihrer eigenen Schwerkraft kollabieren. Dabei werden aus den dichtesten Wolkenregionen, die sich beim Kollaps besonders stark aufheizen, neue Sterne. Materie in unmittelbarer Nachbarschaft wird einen solchen Stern im Allgemeinen umkreisen. Dabei entsteht eine abgeflachte Scheibe: die protoplanetare Scheibe. Materie in dieser Scheibe verklumpt zu immer größeren Objekten, aus denen schließlich Planeten werden. Die Einzelheiten des Verklumpungsprozesses – etwa Fragen nach der Rolle der Turbulenz und von Magnetfeldern – sind Gegenstand aktueller Forschung. Beobachtungsdaten wie die hier vorgestellten liefern den Forschern, die den Entstehungsprozess modellieren, entscheidende neue Daten, um ihre Modelle zu überprüfen und zu verbessern.

Was hat es mit den Sternnamen auf sich?
Mit Ausnahme der hellsten Sterne werden Sterne in der Astronomie mit Katalognummern bezeichnet – einer verwirrenden Vielfalt von Systemen folgend. »LkCa 15« ist Eintrag Nr. 15 im Katalog einer Durchmusterung, bei der Astronomen des Lick-Observatoriums nach Sternen gesucht haben, die bestimmtes, für das chemische Element Kalzium charakteristisches Licht aussenden – daher »Lick Calcium« oder, abgekürzt, »LkCa«. Die Bezeichnung »AB Aur« dagegen steht für einen Eintrag im General Catalogue of Variable Stars, dem Katalog veränderlicher Sterne, der erstmals 1948 von der Akademie der Wissenschaften der UdSSR herausgegeben wurde. »Aur« steht dabei für das Sternbild Fuhrmann, lateinisch Auriga, und AB identifiziert den Stern – den veränderlichen Sternen eines Sternbildes werden von A bis Z Buchstaben zugewiesen, und anschließend folgen AA, AB, AC und so weiter.

Welche Teleskope und Instrumente wurden verwendet?
Die Beobachtungen wurden mit dem SUBARU-Teleskop vorgenommen, dem leistungsfähigsten Teleskops des japanischen Nationalobservatoriums (NAOJ). SUBARU ist ein Spiegelteleskop mit 8,2 Metern Hauptspiegeldurchmesser; sein Name ist die japanische Bezeichnung für den wohl bekanntesten offenen Sternhaufen, die Plejaden.

Das Instrument, das zum Einsatz kam – die »astronomische Kamera« – war HiCIAO, der »High-Contrast Coronagraphic Imager for Adaptive Optics« (wörtlich die »Kontrastreiche koronografische Kamera für Adaptive Optik«). HiCIAO ist dafür konstruiert, in unmittelbarer Nähe von Sternen schwächer leuchtende Objekte zu beobachten, etwa Exoplaneten und protoplanetare Scheiben. Das Instrument benutzt modernste Adaptive Optik, um die Störungen auszugleichen, die auftreten, weil das Licht ferner Sterne auf dem Weg zum Teleskop die Erdatmosphäre durchquert (was auch zu dem bekannten Funkeln der Sterne führt). Außerdem enthält es eine Vorrichtung, einen so genannten Koronografen, der einen Großteil des Sternenlichts abschirmt; so werden Objekte in unmittelbarer Nähe des Sterns nicht so stark überstrahlt.

Im Jahre 2009 gelang HiCIAO das erste Bild eines ultrakalten (»planetenähnlichen«) so genannten Braunen Zwergs, der mit einem sonnenähnlichen Stern ein Doppelsternsystem bildet (siehe diese Pressemitteilung).

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