CALIFA enthüllt intime Details von 100 Galaxien

31. Oktober 2012

Die CALIFA-Durchmusterung (Calar Alto Legacy Integral Field Area survey) hat einen ersten Datensatz veröffentlicht, der beispiellos detailreiche Ansichten von hundert Galaxien in unserer kosmischen Nachbarschaft enthält. Die neuen Daten enthalten zum ersten Mal »2 plus 1«-Bilder von Galaxien: Bilder, bei denen jedem Teilbereich eine detaillierte Lichtanalyse (Spektrum) zugeordnet werden kann, die Aufschluss über Dynamik und chemische Zusammensetzung gibt. Daraus lassen sich Struktur, Dynamik und Entstehungsgeschichte von Galaxien rekonstruieren.

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Auf Größenskalen von Millionen von Lichtjahren sind Galaxien die Bausteine des Universums. Ihre sichtbaren Bestandteile: zwischen einigen Millionen und hunderten von Milliarden Sterne; außerdem Gas- und Staubwolken. »Die dynamischen Vorgänge in Galaxien und ihre Wechselwirkung untereinander zu verstehen ist ein wichtiger Baustein unseres Verständnisses unserer komischen Umwelt« sagt Dr. Glenn van de Ven vom Max-Planck-Institut für Astronomie (MPIA), ein Mitglied des CALIFA Managing Board: »Sie haben die Galaxien zu dem gemacht, was sie heute sind.«

Üblicherweise müssen sich Astronomen, die Galaxien beobachten, zwischen komplementären Beobachtungstechniken entscheiden. Bilden sie eine Galaxie mit einer astronomischen Kamera ab, dann halten sie zwar das Aussehen der Galaxie fest, können aber nicht gleichzeitig eine detaillierte Lichtanalyse, eine »Spektralanalyse« vornehmen. Benutzen sie dagegen einen Spektrografen, um das Licht zu analysieren, dann erhalten sie damit nur wenig Information über das Erscheinungsbild der Galaxie.

Die Integral-Field-Spektroskopie (IFS), die sich zunehmender Beliebtheit erfreut, verbindet die Vorteile beider Methoden. Das IFS-Instrument PMAS am 3,5-Meter-Teleskop des Calar Alto-Observatoriums beispielsweise leitet das Licht aus 350 Teilabschnitten eines Galaxienbildes mithilfe ebenso vieler Glasfasern einer spektroskopischen Analyse zu. So erhält man für alle diese Bildabschnitte gleichzeitig Daten etwa zu chemischer Zusammensetzung der Materie und zur Bewegung der Sterne, aus denen sich dann detaillierte Karten der Eigenschaften der Galaxie erstellen lassen.

Für die CALIFA-Durchmusterung wurden mehr als 900 Galaxien in unserer kosmischen Nachbarschaft, sprich: in Entfernungen zwischen 70 und 400 Millionen Lichtjahren von unserer Heimatgalaxie ausgesucht, die am Nordhimmel stehen und jeweils ganz in das Blickfeld des PMAS-Instruments hineinpassen. Alle verschiedenen Galaxientypen sind in der Stichprobe vertreten – von sogenannten elliptischen Galaxien bis zu majestätischen Spiralen wie Milchstraße oder Andromedanebel. In der vorgesehenen Beobachtungszeit sollten genaue Untersuchungen von rund 600 dieser ausgewählten Galaxien möglich sein.

Die Daten, die CALIFA liefert, könnten das Verständnis der Astronomen von der Galaxiendynamik umkrempeln. Dr. Knud Jahnke, einer der Mitbegründer von CALIFA, findet dabei ein Themengebiet besonders spannend: »In diesen Galaxien werden große Gasmengen ionisiert – intensive Strahlung schlägt Elektronen aus den Gasatomen heraus. Mit CALIFA können wir diese Vorgänge so detailliert untersuchen wie nie zuvor.« Mit überraschenden Konsequenzen, wie der Doktorand Robert Singh hinzufügt: »Die letzten 30 Jahre lang waren Astronomen überzeugt, zu wissen, was die Quelle dieser ionisierenden Strahlung ist. Aber unsere erste Analyse von CALIFA-Daten liefert überzeugende Anzeichen dafür, dass die bisherige Erklärung schlicht falsch ist.«

»Sogar die mysteriöse Dunkle Materie in diesen Galaxien wird sich nicht länger vor uns verstecken können«, fügt Dr. Mariya Lyubenova hinzu, die ebenfalls am MPIA arbeitet. Dunkle Materie ist für rund 20% der Gesamtenergie des Universums verantwortlich, aber ihre genaue Verteilung in Galaxien ist nicht einfach zu bestimmen. Da Dunkle Materie keinerlei Licht abstrahlt, kann sie nicht direkt beobachtet werden. Über ihre Schwerkraft beeinflusst sie allerdings die Bewegungen von Gas und Sternen einer Galaxie. Die kann CALIFA mit hoher Genauigkeit vermessen und so die Verteilung von Dunkler Materie in den beobachteten Galaxien nachweisen.

Wichtig ist, dass CALIFA ein sogenannter »Legacy Survey« ist: Die CALIFA-Daten werden allen Wissenschaftlern weltweit frei zugänglich gemacht. Jetzt ist der erste Datensatz mit 100 Galaxien freigegeben worden. CALIFA ist die erste IFS-Studie, die in dieser Weise frei zugänglich gemacht wird. Ist die Durchmusterung abgeschlossen, dann wird sie die größte ihrer Art sein.

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Hintergrundinformationen

Das Calar Alto-Observatorium wurde 1979 gegründet und befindet sich in Andalusien in Spanien. Es wird gemeinsam vom Max-Planck-Institut für Astronomie (MPIA) und dem Astrophysikalischen Institut Andalusien (IAA-CSIC, Granada, Spanien) betrieben. Das Observatorium hat der CALIFA-Durchmusterung über drei Jahre hinweg 250 Beobachtungsnächte mit dem 3,5-Meter-Teleskop zugewiesen. CALIFA ist ein Gemeinschaftsprojekt von mehr als 80 Wissenschaftlern aus 25 verschiedenen Forschungsinstituten in 13 verschiedenen Ländern.

Der Integral-Field-Spektrograf PMAS, der für die CALIFA-Durchmusterung verwendet wurde (Konfiguration PPAK) verwendet mehr als 350 Glasfasern, um ein Blickfeld von einer Quadratbogenminute (entsprechend der scheinbaren Größe einer Ein-Euro-Münze aus 80 Metern Entfernung betrachtet) zu untersuchen. So lässt sich ein ausgedehntes Objekt wie eine Galaxie in nur einer Belichtung vollständig kartieren.

Die Zielobjekte der CALIFA-Durchmusterung wurden zufällig aus der Galaxienpopulation ausgewählt. Damit sollten die untersuchten Galaxien repräsentativ für die Gesamtheit sein: Statistische Aussagen aus der Analyse ihrer Daten sollten Rückschlüsse auf allgemeine Eigenschaften aller Galaxien aus unserer kosmischen Nachbarschaft zulassen.

Die an CALIFA beteiligten Institutionen sind: Astrophysikalisches Institut der Akademie der Wissenschaften der Tschechischen Republik, Prag; Australian Astronomical Observatory, Australia; Centro Astronómico Hispano Alemán, Spanien; Centro de Astrofísica da Universidade do Porto, Portugal; Institut d'Astrophysique de Paris, Frankreich; Instituto de Astrofisica de Andalucia, Spanien; Instituto de Astrofisica de Canarias, Spanien; Instituto de Física de Cantabria, Spanien; Laboratoire d'Astrophysique de Marseille, Frankreich; Leibniz-Institut für Astrophysik, Potsdam; Max-Planck-Institut für Astronomie, Heidelberg; Observatoire de Paris, Frankreich; Peking University – Kavli Institute for Astronomy and Astrophysics, China; Royal Military College of Canada, Kanada; Tianjin Normal University, China; Universidad Autónoma de Madrid, Spanien; Universidad de Complutense de Madrid, Spanien; Universidad de Granada, Spanien; Universidad de Zaragoza, Spanien; Ruhr-Universität Bochum; University of Cambridge, Großbritannien; Universität Kopenhagen – Dark Cosmology Centre, Dänemark; University of Edingurgh, Großbritannien; Universität Groningen – Kapteyn-Institut, Niederlande; Universität Heidelberg – Landessternwarte Königstuhl; Universität Lissabon, Portugal; University of Missouri-Kansas City, USA; Universität Porto, Portugal; University of Sidney, Australia; Universität Wien.

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