Heidelberger Max-Planck-Forscher federführend beim Bau der weltweit leistungsstärksten Astrokamera

Erdgebundenes Teleskop erreicht höheres Auflösungsvermögen als Weltraumteleskop.

3. Dezember 2001

Am vergangenen Donnerstag, dem 29. November konnte ein Team deutscher und französischer Astronomen die ersten Früchte einer vor zehn Jahren begonnenen Entwicklung ernten. Mit einer neuen Infrarotkamera, genannt CONICA, beobachteten die Forscher am Very Large Telescope (VLT) der Europäischen Südsternwarte (ESO) im Sternbild Carina der Südlichen Milchstraße das 20 000 Lichtjahre entfernte Gebiet heftigster Sternbildung NGC 3603. Hier entstehen gegenwärtig Tausende von Sternen. Mit einer bislang unerreichten Auflösung und Empfindlichkeit gelangen tiefe Einblicke in den spektakulärsten Sternhaufen unserer galaktischen Umgebung. CONICA ist jetzt das weltweit leistungsfähigste Instrument seiner Art. Entstanden ist das rund eine Tonne schwere Präzisionsinstrument unter der Federführung des Max-Planck-Instituts für Astronomie (MPIA) in Heidelberg. Beteiligt waren Kollegen des MPI für extraterrestrische Physik (MPE) in Garching und der ESO.

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CONICA arbeitet auf dem 2600 Meter hohen Cerro Paranal in den chilenischen Anden an dem vierten 8-Meter-Teleskop des VLT. Gemeinsam mit der Kamera wurde ein unter französischer Leitung gebaute Instrument für adaptive Optik (NAOS) installiert, das während der Aufnahme laufend die durch die Luftunruhe verursachte Bildunschärfe korrigiert. Damit können CONICA und NAOS zusammen astronomische Aufnahmen liefern, die jene des Weltraumteleskops Hubble an Empfindlichkeit und Schärfe weit übertreffen.

Im Bereich des nahen Infrarot (Wellenlänge etwa ein Mikrometer) kann CONICA zusammen mit NAOS bei optimalen Bedingungen noch Details von wenigen hundertstel Bogensekunden abbilden. Damit ließe sich auf dem Mond ein fünfzig Meter großer Fels abbilden – rund dreimal schärfer als mit dem Hubble-Weltraumteleskop. Überflüssig wird das Weltraumteleskop damit allerdings nicht: Zum einen verschluckt die Atmosphäre in einigen Bereichen des nahen Infrarot einen Teil des Lichts, und zum anderen benötigt NAOS zur Korrektur der Luftunruhe einen vergleichsweise hellen Stern im Gesichtsfeld – das bedeutet, dass sich nicht jedes Feld am Himmel optimal abbilden lässt. Zudem arbeitet Hubble – anders als CONICA – ohnehin großen Teils im Bereich des sichtbaren Lichts.

Ein neues Kapitel in der Infrarotastronomie
Das Projekt startete Anfang des Jahres 1992 mit dem Vertrag zwischen den beiden Max-Planck-Instituten und der ESO. Seitdem sind in den Bau von CONICA schätzungsweise 40 Mannjahre an Arbeit geflossen. Die Materialkosten von rund 2,3 Millionen Mark übernahm die ESO, während die MPIs ihren Maschinenpark und das Know how ihrer Mitarbeiter einbrachten. »An der Entwicklung und dem Bau unserer Kamera haben eine Vielzahl von Ingenieuren, Doktoranden und Diplomanden unseres Instituts mit vollem Einsatz gearbeitet. Jetzt ernten wir den Lohn einer langjähriger Entwicklung«, erklärt Projektleiter Rainer Lenzen vom Heidelberger MPIA.

CONICA ist nicht bloß eine Kamera, es ist ein wissenschaftliches Instrument mit einer Vielzahl von Arbeitsmoden. Ähnlich wie man bei einem Fotoapparat Objektive mit unterschiedlichen Brennweiten auswechseln kann, lassen sich im Innern von CONICA sieben Einzelkameras wählen. Sie sitzen auf einem großen Rad und werden damit in den Strahlengang gedreht. Das ermöglicht Aufnahmen mit unterschiedlicher Auflösung. Nötig ist dies vor allem deswegen, weil CONICA im Infrarotbereich bei Wellenlängen zwischen etwa einem und fünf Mikrometern empfindlich ist. Jede Kamera ist für jeweils einen Teilbereich optimal konzipiert.

Zudem verfügt CONICA über nahezu 40 Farbfilter, die auf einem zweiten Filterrad sitzen und ebenfalls einzeln in den Strahlengang gedreht werden können. Im spektroskopischen Modus wird die Infrarotstrahlung in ihre spektralen Anteile aufgefächert, ähnlich wie Sonnenlicht in einem Glasprisma. Damit lassen sich physikalische Größen, wie Temperatur, Dichte oder Geschwindigkeit der beobachteten Himmelskörper und Gaswolken, bestimmen.

Das Beobachten im Infraroten stellt besondere Anforderungen an die Instrumente, denn alle Körper geben bei Zimmertemperatur in diesem Wellenlängenbereich Wärmestrahlung ab. Um zu vermeiden, dass das Instrument von der eigenen Wärmestrahlung geblendet wird, muss man es "einfrieren". CONICA verfügt über eine doppelte Kühlung, die das optische System und die Kameras bis auf minus 210 Grad Celsius und den Detektor sogar bis auf minus 240 Grad Celsius abkühlt. Beim Bau von CONICA erwies sich dieses Kryosystem als eines der größten Probleme für Stabilität des gesamten Instruments. Während einer langen Belichtung dreht sich nämlich die gesamte Kamera am Teleskop, weil sie die scheinbare Himmelsbewegung ausgleichen muss. »Wir mussten dafür sorgen, dass sich das tonnenschwere Gerät durch diese Bewegung um nicht mehr als wenige tausendstel Millimeter durchbiegt«, verdeutlicht Rainer Lenzen die Schwierigkeit.

Dass die Astronomen alle Probleme meistern konnten, zeigen die ersten Aufnahmen.


Spektakuläre Bilder junger Sterne
CONICA wird für nahezu alle Bereiche astronomischer Forschung einsetzbar sein. Ein besonderer Schwerpunkt ist die Sternentstehung. In Galaxien wie dem Milchstraßensystem existieren riesige Wolken aus Staub und Gas. Unter bestimmten Bedingungen können sich einzelne Bereiche im Innern solcher Wolken unter der eigenen Schwerkraft zusammenziehen und zu neuen Sternen verdichten. Auf diese Weise ist auch unsere Sonne entstanden. Erst wenn die Sterne hell zu strahlen beginnen, fegen sie die Umgebung vom übrig gebliebenen Staub und Gas frei und werden weithin sichtbar. Im Bereich des sichtbaren Lichts sind die Frühstadien der Sternentstehung nicht beobachtbar, weil sie sich noch tief im Innern der Wolke abspielen. Erst in dem für CONICA zugänglichen Infrarotbereich durchdringt die emittierte Strahlung den Staub und öffnet so den Blick in die »Kinderstuben« junger Sterne.

Ein zweites zentrales Forschungsgebiet betrifft die Entstehung und Entwicklung von Galaxien und Quasaren. Quasare sind auch in den allergrößten Entfernungen sichtbar, denn sie sind die leuchtkräftigsten Himmelskörper im Universum. Aller Wahrscheinlichkeit nach entsteht ihre enorme Strahlung in der Umgebung eines Schwarzen Lochs, das sich im Zentrum eines jeden Quasars befindet.

Die jüngsten Galaxien und Quasare sind viele Milliarden Lichtjahre entfernt. Ihre Fluchtgeschwindigkeit aufgrund der kosmischen Expansion ist hoch, daher ist ihr Licht stark zu größeren Wellenlängen verschoben. Obwohl sie das meiste Licht im sichtbaren und im ultravioletten Bereich aussenden, erscheinen sie uns daher auf der Erde im nahen Infrarotbereich am hellsten. CONICA wird somit weit in die frühen Entwicklungsstadien unseres Universums zurückblicken.




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