Das fernste Schwarze Loch im Kosmos: Quasar in Entfernung von 13 Milliarden Lichtjahren entdeckt

6. Dezember 2017

Astronomen haben den entferntesten bekannten Quasar entdeckt – so weit von uns entfernt, dass sein Licht mehr als 13 Milliarden Jahre brauchte, um uns zu erreichen. Wir sehen diesen Quasar so, wie er 690 Millionen Jahre nach dem Urknall war, und sein Licht liefert wertvolle Informationen über die frühe Geschichte des Universums. Im Zentrum des Quasars befindet sich ein supermassereiches Schwarzes Loch mit einer Masse von fast 1 Milliarde Sonnenmassen. Die Wirtsgalaxie des Quasars enthält bereits große Mengen an Gas und Staub – eine Herausforderung für die gängigen Modelle der Galaxienentwicklung. Die Ergebnisse wurden nun in Nature und in den Astrophysical Journal Letters veröffentlicht.

Ausführliche Beschreibung: Das fernste Schwarze Loch im Kosmos: Quasar in 13 Milliarden Lichtjahren Entfernung entdeckt

Forscher haben das bislang fernste aktive Schwarze Loch entdeckt: einen Quasar, der so weit entfernt ist, dass sein Licht 13 Milliarden Jahre gebraucht hat, um uns zu erreichen. Licht von diesem Quasar liefert Informationen über die Eigenschaften des Universums nur 690 Millionen (0,69 Milliarden) Jahre nach dem Urknall.

Quasare: extrem hell und unglaublich fern

Quasare sind überaus helle astronomische Objekte. Konkret handelt es sich um die aktiven Kerne entfernter Galaxien. Deren Licht wird erzeugt, wenn Materie (wie Gas oder sogar ganze Sterne) in Richtung des zentralen, supermassereichen Schwarzen Lochs einer fernen Galaxie fällt. Diese Materie sammelt sich in einer sogenannten Akkretionsscheibe um das Schwarze Loch herum und erreicht Temperaturen von bis zu einigen hunderttausend Grad Celsius, bevor sie schließlich in das Schwarze Loch selbst fällt. Die Entstehung von Quasaren und ihre Wechselwirkungen mit ihren Wirtsgalaxien ist Gegenstand aktueller astronomischer Forschung.

Typische Quasare sind so hell wie ein paar Billionen Sonnen und damit etwa zehnmal heller als alle Sterne in unserer Heimatgalaxie, der Milchstraße, zusammen. Mit derart extremer Leuchtkraft sind Quasare über große Entfernungen sichtbar und gehören zu den entferntesten astronomischen Objekten, die wir beobachten können.

Die Entfernungen sehr weit entfernter Galaxien und Quasare werden typischerweise anhand eines systematischen Zusammenhangs zwischen Entfernungen und Rotverschiebungen bestimmt, der sich direkt aus den Modellen der Kosmologie ergibt. Die Rotverschiebung, konkret: wie stark die Wellenlängen des Lichtes eines Objekts durch die Expansion des Universums hin zu längeren Wellenlängen verschoben werden, lässt sich aus den Spektren von Galaxien und Quasaren bestimmen. Mithilfe des Standardmodell der Kosmologie können diese Rotverschiebungswerte in Entfernungswerte umgerechnet werden.

Aufgrund des Zusammenhangs zwischen der Rotverschiebung z und der Entfernung werden sehr weit entfernte Objekte auch als "high-z" bezeichnet. Für den neu entdeckten Quasar entspricht der Entfernungswert einer Rotverschiebung von z=7,5, d.h. sein Licht erreicht uns bei einer 7,5+1 = 8,5 mal so großen Wellenlänge wie jener, bei der es ursprünglich emittiert wurde.

Mit Quasaren das frühe Universum erforschen

Ferne Quasare sind nicht nur wegen der menschlichen Vorliebe für Rekorde und Extreme von Interesse. Sie liefern uns außerdem wichtige Informationen über die Eigenschaften und die Evolution des Universums. Zum einen kann Quasarlicht dazu benutzt werden, den Kosmos regelrecht zu durchleuchten: Wasserstoffatome in den Weiten des Raums zwischen dem entfernten Quasar und dem Betrachter absorbieren einen Teil des Lichts und hinterlassen im Spektrum des Quasars (also in der regenbogenartigen Zerlegung des Quasarlichts in verschiedenen Wellenlängen bzw. Farben) charakteristische Spuren. Auf diese Weise können Quasare genutzt werden, um die großräumige Verteilung der Atome der intergalaktischen Materie im Kosmos zu kartieren. 

Entsprechende Studien versprechen Antworten auf grundlegende Fragen: Wie hat sich beispielsweise der Anteil des neutralen Wasserstoffs (im Gegensatz zu ionisiertem Wasserstoff) im frühen Universum verändert? Den kosmologischen Modellen (und entsprechenden Messungen) zufolge war das Universum nach Ende der Urknallphase, rund 380,000 Jahre nach dem Urknall, mit elektrisch neutralen Atomen gefüllt, überwiegend Wasserstoffatomen. Während der nächsten 200 bis 1200 Millionen Jahre, also vor rund 13,5 bis rund 12,5 Milliarden Jahren, ionisierte die intensive Ultraviolettstrahlung der ersten hellen Sterne und der Akkretionsscheiben der ersten Schwarzen Löcher dieses Gas wieder, trennten also die Elektronen von den Atomkernen. Diese kosmische Reionisierung war ein fundamentaler Phasenübergang im frühen Universum.

Dafür, wie diese Reionisierung im einzelnen ablief, gibt es derzeit mehrere konkurrierende Modelle – einige, die einen früheren, andere, die einen späteren Beginn der Reionisierung annehmen. Mithilfe ferner Quasare kann man hoffen, den zeitlichen Ablauf genauer zu bestimmen: Quasare erlauben es, die Menge neutraler Wasserstoffatome im fernen intergalaktischen Medium zu unterschiedlichen Zeitpunkten in der Vergangenheit abzuschätzen. Mithilfe dieser Zahlenwerte lassen sich zumindest einige der Modelle für die Reionisierung ausschließen.

Galaxienentwicklung beobachten 

Auch für sich genommen sind entfernte Quasare interessant. Die langen Lichtlaufzeiten bedeuten, dass wir die entferntesten Quasare so sehen, wie sie waren, als das Universum noch keine Milliarde Jahre alt war.

Die Erforschung der Evolution von Galaxien, der zentralen Schwarzen Löcher dieser Galaxien und der aktiven Phasen, in denen ein solches Schwarzes Loch zum Quasar wird, ist ein lebendiges aktuelles Forschungsgebiet. Die verschiedenen Evolutionsmodelle, die derzeit diskutiert werden, treffen unterschiedliche Vorhersagen für die Wachstumsrate zentraler Schwarzer Löcher und der Galaxie selbst. 

Je weiter ein Quasar entfernt ist, desto tiefer blicken wir in die Vergangenheit. Unterschiedliche Modelle dafür, wie Galaxien und ihre zentralen Schwarzen Löcher im Laufe der Zeit gewachsen sind, treffen unterschiedliche Vorhersagen für die maximalen Massen sowohl von Galaxien als auch ihrer zentralen Schwarzen Löcher, die zu verschiedenen Zeitpunkten der kosmischen Geschichte möglich sind. Beobachten wir die entferntesten Quasare, deren Licht Milliarden Jahre benötigt, um uns zu erreichen, dann können wir diese Modelle auf die Probe stellen. Schließlich sehen wir jeden dieser Quasar so, wie er in einer längst vergangenen kosmischen Ära war – benötigt das Licht eines bestimmten Quasars 13 Milliarden Jahre, um uns zu erreichen, dann sehen wir Quasar so, wie er vor 13 Milliarden Jahren war. War die Schwarze-Loch-Masse des Quasars den Beobachtungen zufolge damals größer als die maximale Masse, die einem bestimmten Modell zufolge für die damalige Zeit zulässig ist, ist das ein starkes Indiz, dass das Modell falsch oder zumindest stark überholungsbedürftig ist.

Galaxienevolution, die Entwicklung zentraler Schwarzer Löcher und die Reionisierungsphase – Grund genug für die beobachtenden Astronomen, nach immer weiter entfernten Quasaren zu suchen. Von besonderem Interesse sind dabei Quasare, die wir in den ersten Milliarden Jahren der kosmischen Geschichte (Rotverschiebung z > 6) sehen.  Zumindest für die Ära zwischen etwa 850 Millionen und einer Milliarde Jahre nach dem Urknall hatten Astronomen zwischen 2000 und 2010 ein paar Dutzend dieser Quasare gefunden: Der Sloan Digital Sky Survey (SDSS), eine systematische Durchmusterung des Nordhimmels, identifizierte 20 Quasare aus dieser frühen Periode (Rotverschiebung 6 < z < 6.5), und der Canada-France High-z Quasar Survey fand weitere 15, einige davon am Südhimmel.

Systematische Suche nach entfernten Quasaren

Weiter entfernte Quasare waren schwerer zu finden. 2010 begann die Gruppe von Fabian Walter und Bram Venemans am Max-Planck-Institut für Astronomie (MPIA) mit einer entsprechenden systematischen Suche. Die Astronomen nutzten große Durchmusterungen, vor allem die PanSTARRS1-Durchmusterung, um die entferntesten Quasare im Universum zu finden. Pan-STARRS1 (Abkürzung für "Panoramic Survey Telescope & Rapid Response System 1") nutzte ein 1,8-Meter-Teleskop auf dem Haleakalā auf Maui, Hawaii, um drei Viertel des Himmels im sichtbaren Licht und im nahen Infrarotlicht digital zu kartieren. Die Durchmusterung dauerte etwa vier Jahre und scannte den Himmel zwölfmal in fünf Wellenlängenbereichen. Aus den Katalogen der Durchmusterung wurden Kandidatenobjekte ausgewählt, die möglicherweise entfernte Quasare sein könnten. Diese wurden anschließend mit Hilfe verschiedener Teleskope, an denen MPIA-Forschern aufgrund geeigneter Vereinbarungen Beobachtungszeit zur Verfügung steht, genauer beobachtet. Die Suche und Charakterisierung der entferntesten Quasare wurde zur Dissertation von Eduardo Bañados, damals Doktorand am MPIA.

Diese systematische Suche erhöhte die Anzahl der bekannten Quasare mit Rotverschiebungen höher als z=6, von Dutzenden auf etwa hundert, mit neuen Funden insbesondere am Südhimmel. Ein Fachartikel, der die Entdeckung und physikalische Charakterisierung einer Stichprobe der entferntesten so gefundenen Quasare beschreibt, wurde kürzlich von einer derzeitigen MPIA-Doktorandin, Chiara Mazzucchelli, veröffentlicht.

Ein genauerer Blick auf ferne Wirtsgalaxien

Parallel dazu begannen Mitglieder von Walters Gruppe, die neu entdeckten Quasare noch genauer zu untersuchen. Das Sternenlicht der Wirtsgalaxien dieser entfernten aktiven galaktischen Kerne, bei dem es sich hauptsächlich um ultraviolettes, sichtbares Licht und Nahinfrarotlicht handelt, wird von dem hellen Quasarlicht bei weitem überstrahlt. Im Ferninfraroten, bei Submillimeter- und Millimeterstrahlung, also bei viel längeren Wellenlängen, überwiegt dagegen die Strahlung der Wirtsgalaxie. Beobachtungen bei diesen Wellenlängen sind daher die Methode der Wahl bei der Suche nach den Wirtsgalaxien solcher ferner Quasare.

Über die Max-Planck-Gesellschaft hat das MPIA Zugang zum NOEMA-Interferometer auf dem Plateau de Bure in den französischen Alpen, das mehrere 15-Meter-Antennen für Millimeter-Strahlung kombiniert und vom Institut de Radioastronomie Millimétrique (IRAM) betrieben wird. Für die von der Südhalbkugel aus sichtbaren Quasare verwendeten die Forscher ALMA, ein Submillimeter/Millimeter-Observatorium in der chilenischen Atacama-Wüste. Mit diesen Teleskopen waren die Astronomen in der Lage, Staub- und Gasemissionen aus den Wirtsgalaxien aller Quasare zu detektieren, die ihre systematische Suche gefunden hatte.

Die Ergebnisse geben Aufschluss über die chemische Evolution im Universum. Unmittelbar nach dem Urknall waren die einzigen Elemente im Universum Wasserstoff (75 Prozent der Masse) und Helium (25 Prozent). So ziemlich alle Elemente, die schwerer als Helium sind, wurden erst anschließend, im Laufe der Milliarden Jahre nach dem Urknall, in Sternen produziert. Die Untersuchungen der Quasar-Wirtsgalaxien zeigten, dass diese bereits etwa eine Milliarde Jahre nach dem Urknall beträchtliche Mengen an Metallen (wie Elemente, die schwerer als Helium sind, in der Astronomie genannt werden) enthielten. Zu diesem Zeitpunkt war die Produktion schwererer Elemente demnach bereits in vollem Gange

Noch entferntere Quasare

Für all die bislang angesprochenen Forschungsgebiete versprechen Daten aus einer noch früheren Phase der kosmischen Evolution besonders interessante Informationen. Deshalb entschieden sich die Wissenschaftler, noch weiter zu gehen und Quasare, die mehr als 12,9 Milliarden Lichtjahre entfernt sind, ins Visier zu nehmen (Rotverschiebung z ≥ 7). Zu Beginn ihrer Suche war nur ein Quasar in diesem Entfernungsbereich bekannt, 12,96 Milliarden Lichtjahre entfernt. Bram Venemans am MPIA hatte mit Hilfe des IRAM-Interferometers auf dem Plateau de Bure erstmals die Wirtsgalaxie dieses Quasars nachgewiesen.

Die neue Suche profitierte von der Internationalität, die viele erfolgreiche wissenschaftliche Karrieren auszeichnet: Als Bañados 2015 seine Promotion abschloss, wurde er als Carnegie-Princeton-Fellow Postdoktorand an der Carnegie Institution for Science in den USA. Über sein neues Institut erhielt Bañados Zugang zu den Magellan-Teleskopen der Carnegie Institution, zwei 6,5-Meter-Teleskopen am Las Campanas Observatorium in Chile. Damit standen der gemeinsamen Quasar-Suche zwei leistungsstarke neue Teleskope zur Verfügung.

Die Astronomen begannen diese neue Phase ihrer Suche mit der Auswertung groß angelegter Infrarot-Durchmusterungen: der ALLWISE-Durchmusterung des NASA-Infrarot-Weltraumteleskops WISE, einer umfangreichen Durchmusterung mit dem United Kingdom Infrared Telescope (UKIRT) auf Hawaii sowie einer Durchmusterung mit der Dark Energy Camera (DECam) am Cerro Tololo Inter-American Observatory in Chile. Aus den Hunderten von Millionen von Quellen, die in den umfangreichen Katalogen dieser Durchmusterungen dokumentiert sind, wählten die Astronomen mehrere hundert Quasarkandidaten aus. Diese Kandidaten wurden anschließen mit zahlreichen Teleskopen, darunter auch den Magellan-Teleskopen, genauer beobachtet.

Ein neuer Entfernungsrekord

In diesem Stadium der Suche entdeckte Bañados mit einem der Magellan-Teleskope den Quasar J1342+0928 (dessen Bezeichnung, wie üblich, aus Koordinatenwerten besteht, die seine Position am Himmel angeben). Die Astronomen hatten lange nach einem Quasar gesucht, der so weit entfernt war wie dieser. J1342+ 0928 brach alle bisherigen Entfernungsrekorde für Quasare im frühen Universum. Die Beobachtungen von Bañados zeigten eindeutig eine Rotverschiebung von z=7,5. Das entspricht einer Entfernung von 13,01 Milliarden Lichtjahren – Licht von diesem fernen Quasar hat 13,01 Milliarden Jahre gebraucht, um uns zu erreichen. Die Astronomen sahen diesen Quasar dementsprechend so, wie er nur 690 Millionen Jahre nach dem Urknall aussah.

Weitere Untersuchungen zeigten, dass es sich um einen vergleichsweise hellen Quasar handelte, der 40 Billionen Mal so viel Energie pro Sekunde emittierte wie die Sonne. Abschätzungen zur Größenverteilung der Quasare deuten darauf hin, dass es im beobachtbaren Universum nur zwischen 10 und 100 derartig weit entfernte derartig helle Quasare geben dürfte. In der Tat ein seltener Fund.

Aus den Eigenschaften einer weiteren Spektrallinie, jener des ionisierten Magnesiums (MgII), bestimmten die Astronomen die Masse des zentralen Schwarzen Lochs des Quasars zu rund 800 Millionen Sonnenmassen. Diese große Masse stellt eine Herausforderung für Modelle supermassereicher Schwarzer Löcher im frühen Universum dar. Solche Modelle müssten entweder zeigen, dass es bloße 65 Millionen Jahre nach dem Urknall bereits "Schwarze Vorläufer-Löcher" mit Massen von etwa 10.000 Sonnenmassen gegeben hat, oder sie müssten erklären können, wie die frühesten Schwarzen Löcher deutlich schneller wachsen konnten als gemeinhin angenommen wird (schneller als die sogenannte Eddington-Grenze).

Eine ziemlich späte Reionisierung

Die Absorptionslinien im Licht des neu entdeckten fernsten Quasars – Spuren von intergalaktischem Material zwischen dem Quasar und uns – erlauben einen interessanten Rückschluss. Offensichtlich waren in der Nähe des Quasars zwischen 38 und 77 Prozent des intergalaktischen Wasserstoffs noch in Form von Atomen vorhanden, also noch nicht ionisiert. Damit stützt die neue Quasar-Beobachtung jene Modelle der Reionisierungsphase, in denen die Reionisierung erst relativ spät in der kosmischen Geschichte ihr Ende findet.

Als Bañados seine spannende Entdeckung seinen ehemaligen Kollegen am MPIA berichtete, handelten die Astronomen sofort. Normalerweise müssen Astronomen sich für die Zeit an großen Teleskopen längerfristig bewerben, ein Prozess, der normalerweise einige Monate dauert. Aber für dringende Beobachtungsanfragen und um neue Entdeckungen rasch verfolgen zu können, verfügen die meisten Observatorien über eine sogenannte "Director's discretionary time" (DDT). Dabei handelt es sich um ein Zeitkontingent, welches der Direktor eines Observatoriums oder, stellvertretend, ein Komitee mit dem entsprechenden Auftrag, kurzfristig direkt vergeben kann. Die MPIA-Gruppe reichte DDT-Anträge sowohl für das NOEMA-Interferometer als auch für das Extended VLA (EVLA)-Antennenfeld des National Radio Astronomy Observatory in New Mexico ein und bekam entsprechende Beobachtungszeit zugeteilt.

Die ersten NOEMA-Beobachtungen, bei denen mit acht zusammengeschalteten Antennen beobachtet wurde, konnten bereits wenige Tage nach der Entdeckung des Quasars durch Bañados durchgeführt werden. Die Auswertung am MPIA zeigte deutliche Spuren der Wirtsgalaxie des Quasars. Die Spektrallinien des ionisierten Kohlenstoffs, allgemein als [CII] bezeichnet, bestätigten dabei die Quasar-Rotverschiebung von z=7,5 (entsprechend allen Wellenlängen seines Lichts, die um den Faktor 8,5 gedehnt wurden, da sie als direkte Folge der kosmischen Expansion emittiert wurden).

Eine frühreife Wirtsgalaxie

Anhand der [CII]-Linien und der Wärmestrahlung des in der Galaxie enthaltenen Staubs entpuppte sich die Wirtsgalaxie des neu entdeckten Quasars als etwas ganz Besonderes. Zunächst einmal ist sie extrem produktiv: Die Beobachtungen deuten darauf hin, dass diese Galaxien pro Jahr zwischen 90 und 600 Sonnenmassen an Sternen bildet (im Vergleich zu rund einer einzigen Sonnenmasse pro Jahr in unserer Heimatgalaxie, der Milchstraße). Auffällig ist außerdem, dass die Galaxie bereits reichlich Metalle (Elemente, die schwerer als Helium sind) und Staub enthält. Die Beobachtungen zeigten, dass das interstellare Medium der Galaxie rund 100 Millionen Sonnenmassen an Staub und mindestens fünf Millionen Sonnenmassen an Kohlenstoff enthält.

Alle diese Metalle müssen in massereichen Sternen produziert worden sein. Durch die Supernova-Explosionen am Lebensende solcher massereichen Sterne verbreiten sich die schwereren Elemente weiträumig durch die Galaxie. Die extreme Helligkeit des zentralen akkretierenden Schwarzen Lochs macht es zwar nahezu unmöglich, das Sternenlicht der Wirtsgalaxie direkt zu detektieren. Aus der Menge an Staub und ionisiertem Kohlenstoff, die bei den Millimeterbeobachtungen festgestellt wurde, konnten die Astronomen jedoch abschätzen, dass die Wirtsgalaxie Sterne mit einer Gesamtmasse von 20 Milliarden Sonnenmassen enthalten dürfte – eine beachtliche Menge, verglichen mit der Gesamtmasse von 40 bis 60 Milliarden Sonnenmassen der Sterne, die unsere ungleich ältere Heimatgalaxie, die Milchstraße, aufweist.

Diese hohe Sternenmasse bedeutet also, dass die Wirtsgalaxie des neu entdeckten Quasars innerhalb von nur 690 Millionen Jahren bereits etwa die Hälfte derjenigen Sternenmasse gebildet hatte, für die unsere Milchstraße mehrere Milliarden Jahre benötigte! Allerdings ist diese Abschätzung noch mit erheblichen Unsicherheiten behaftet, und es könnte sein, dass die Anzahl der in der Wirtsgalaxie gebildeten Sterne deutlich geringer ist. Dann müssten die meisten dieser Sterne allerdings sehr massereich gewesen sein, um die beträchtliche Menge an Metallen erklären zu können, deren Spuren sich in den Beobachtungen zeigen.

Nicht nur, dass die Wirtsgalaxie des Quasars 690 Millionen Jahre nach dem Urknall, in dem von den Beobachtungen gezeigten Stadium, reichlich Staub produzierte – sie muss in den Millionen Jahren davor zahlreiche Sterne und die damit verbundenen schwereren Elemente produziert haben! Eine solch produktive Galaxie müssen die Modelle der Galaxienentwicklung erst einmal erklären – kein einfaches Unterfangen.

Zukunftspläne 

Der neue Quasar wird noch viele Jahre lang Gegenstand genauerer Untersuchungen sein. Nachbeobachtungen bei Millimeterwellenlängen mit ALMA sind bereits genehmigt. Diese Beobachtungen werden Aufschluss über die physikalischen Bedingungen in der Wirtsgalaxie geben, etwa über die Temperatur und den Metallgehalt des Gases, aus dem die Sterne entstehen. Der Quasar wird noch in weiteren Wellenlängen beobachtet werden, um ein möglichst vollständiges Bild zu erhalten: Die Astronomen haben bereits Beobachtungszeit im Nahinfrarotlicht mit dem Weltraumteleskop Hubble, im Röntgenlicht mit dem Weltraumteleskop Chandra und im Infrarotlicht mit dem NASA-Weltraumteleskop Spitzer genehmigt bekommen.

Darüber hinaus wird der Quasar ein wichtiges Beobachtungsziel für den Nachfolger des Hubble-Weltraumteleskops sein, das James Webb Space Telescope (JWST). Das JWST soll 2019 seinen Beobachtungsbetrieb aufnehmen und dürfte es den Astronomen erlauben, das sichtbare und Nahinfrarotlicht der Sterne der Wirtsgalaxie vom Licht des Quasars zu unterscheiden und so die Sterne der entfernten Galaxie direkt zu beobachten. 

Schließlich wird der Erfolg der Lokalisierung eines Quasars in so großer Entfernung weitere Suchen nach diesen seltenen Objekten anregen. Derzeit sind mehrere Teleskope in Vorbereitung, die es Astronomen ermöglichen sollten, noch viele weitere dieser Quasare im frühen Universum zu entdecken. Dazu gehört insbesondere das ESA-Weltraumteleskop Euclid, dessen Start für 2020 geplant ist.

Spannende Zeiten für Rekonstruktionen einiger der frühesten Phasen der kosmischen Geschichte – und ferne Quasare spielen dabei eine wichtige Rolle! 

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