Magnetfelder bereiten Sternengeburten vor

16. November 2011

Astronomen des Max-Planck-Instituts für Astronomie haben erstmals die großräumige Ausrichtung von Magnetfeldern in riesigen Gas- und Staubwolken einer anderen Galaxie gemessen. Ihre Ergebnisse legen nahe, dass Magnetfelder eine Schlüsselrolle dabei spielen, solche Materiewolken zu verdichten und so die Geburt neuer Sterne vorzubereiten. Die Ergebnisse werden am 24. November in der Zeitschrift Nature veröffentlicht (Onlineversion: 16. November).

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Sterne und Planeten werden geboren, wenn riesige Wolken aus interstellarem Gas und Staub kollabieren. Die Sternkinderstuben, die dabei entstehen, sind für einige der schönsten astronomischen Bilder verantwortlich: Farbenfrohe Gasnebel, beleuchtet durch die hellen, neugeborene Sterne.

Über die so genannten Molekülwolken, die dort kollabieren, ist einiges bekannt: Sie bestehen vor allem aus Wasserstoffmolekülen – ungewöhnlich, da der Kosmos nur selten Bedingungen bietet, unter denen sich Wasserstoffatome zu Molekülen verbinden können. Kartiert man die Verteilung solcher Wolken in einer Spiralgalaxie wie unserer Milchstraße, dann sieht man, dass sie entlang der Spiralarme angeordnet sind.

Aber wie entstehen diese Wolken? Was bringt Materie dazu, sich zu Wolken zusammenzuballen, die hundert oder sogar tausend Mal dichter sind als das umgebende interstellare Gas?

Ein Kandidat für den Posten des stellaren Geburtshelfers sind die Magnetfelder einer Galaxie. Jeder, der schon einmal das klassische Experiment gesehen hat, in dem ein Magnet unter eine Platte mit Eisenspänen gehalten wird, weiß, dass Magnetfelder der Materie eine Ordnung aufprägen können. Einige Forscher haben argumentiert, dass etwas Ähnliches bei den Molekülwolken passiert: dass die Magnetfelder einer Galaxie die Kondensation von interstellarer Materie lenken und ihnen eine Ordnung aufprägen, welche die Bildung dichterer Wolken und den weiteren Kollaps begünstigt.

Einige Astronomen sehen dies als Schlüssel zur Vorbereitung der Sternentstehung. Andere halten dagegen, dass der Gravitationseinfluss der Wolkenmaterie und turbulente Gasbewegungen im Wolkeninneren so stark sind, dass der Einfluss äußerer Magnetfelder keine wesentliche Rolle spielen sollte.

In unserer eigenen Galaxie können wir nur schwer überprüfen, welche der beiden Fraktionen richtig liegt. Wir sind mit unseren Sonnensystem im Inneren der galaktischen Scheibe der Milchstraße gefangen; die nötigen Beobachtungen gelingen aber am besten, wenn man von oben auf die Scheibe blicken kann. Daher wählten Hua-bai Li und Thomas Henning vom Max-Planck-Institut für Astronomie ein anderes Beobachtungsziel: Die Galaxie M33, auch als Dreiecksnebel bekannt, für kosmische Verhältnisse mit 3 Millionen Lichtjahren Entfernung einer unserer nächsten galaktischen Nachbarn. Bei dieser Galaxie blickt der irdische Beobachter direkt von oben auf die Scheibe (vgl. Abb. 1).

Mit Hilfe des Submillimeter Array (SMA), einem Verbundteleskop am Mauna Kea Observatory auf der gleichnamigen Insel Hawaiis, untersuchten Li und Henning spezifische Eigenschaften des Lichts, das uns von M 33 erreicht – Eigenschaften, die mit der Orientierung der Magnetfelder in der beobachteten Region zusammenhängen. Sie fanden, dass die Magnetfelder der sechs massereichsten Riesen-Molekülwolken der Galaxie mitnichten chaotisch-turbulent sind, sondern direkt dem Verlauf der Spiralarme folgen.

Würde die Turbulenz in diesen Wolken die dominante Rolle spielen, würde man im Gegensatz dazu erwarten, dass die Magnetfelder in der Wolke ungeordnet und zufällig durcheinander laufen.

Die Beobachtungen von Li und Henning sind damit ein deutlicher Hinweis, dass Magnetfelder in der Tat eine wichtige Rolle bei der Entstehung dichter Molekülwolken spielen dürften – und damit den Boden bereiten für die Entstehung von Sternen und Planetensystemen wie unserem eigenen.

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Hintergrundinformationen

Die hier beschriebenen Ergebnisse erscheinen am 24. November 2011 als H. Li & T. Henning, »The alignment of molecular cloud magnetic fields with the spiral arms in M33«, in der Zeitschrift Nature. Die Online-Version erscheint am 16. November.

Das Forschungsprojekt wurde unterstützt vom Max-Planck-Institut für Astronomie und vom Harvard-Smithsonian Center for Astrophysics. Das Submillimeter Array ist ein Gemeinschaftsprojekt des Smithsonian Astrophysical Observatory und des Academia Sinica Institute of Astronomy and Astrophysics. Es wird durch die Smithsonian Institution und die Academia Sinica finanziert.

Link zum Fachartikel: http://dx.doi.org/10.1038/nature10551

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Fragen und Antworten

Welche Teleskope wurden verwendet?
Die Beobachtungen wurden mit dem Submillimeter Array (SMA) vorgenommen, einem Verbundteleskop am Mauna-Kea-Observatorium auf der gleichnamigen hawaiianischen Insel. Das SMA besteht aus 8 Submillimeter-Teleskopen, jedes davon mit einer Radioschüssel mit 6 Metern Durchmesser. Die Antennen können zusammengeschaltet werden; so lässt sich eine Detailschärfe erreichen, für die man bei einem einzigen Radioteleskop einen Schüsseldurchmesser von bis zu 509 Metern benötigen würde.

Was sagt die Strahlung über die Magnetfelder aus?
Li und Henning maßen die Polarisation von Strahlung, die von Kohlenmonoxid-Molekülen (CO) erzeugt wird. Solche Moleküle machen einen winzig kleinen Teil des Gases der Molekülwolke aus. Polarisation ist eine Eigenschaft elektromagnetischer Wellen, die die Orientierung der elektrischen und magnetischen Felder im Raum beschreibt. Dementsprechend enthält die Polarisation Informationen über die Orientierung der Magnetfelder in der Raumregion, in der die Strahlung ausgesandt wurde. Zwar lässt sich die Richtung der Magnetfelder auf diese Weise nicht eindeutig rekonstruieren – es gibt unterschiedliche Magnetfeldanordnungen, die zur gleichen Polarisation führen –, aber die Polarisation lässt Schlüsse darauf zu, ob die Magnetfelder wild durcheinander oder entlang einer einheitlichen Richtung verlaufen.

Wie können Magnetfelder die Entstehung und den Kollaps von Molekülwolken beeinflussen?
Die Molekülwolken bestehen zu einem Bruchteil (einigen Prozent) aus Ionen, die ein Plasma bilden. In diesem Plasma sind magnetische Feldlinien regelrecht verankert – das Plasma kann sich nur in Richtung der Feldlinien bewegen, nicht aber senkrecht dazu. Das zwingt auch den (deutlich zahlreicheren) Molekülen der Wolke ein bestimmtes Bewegungsmuster auf. Ein ähnlicher Effekt kann in einer anderen, erdnäheren astronomischen Situation beobachtet werden: Elektrisch geladene Teilchen, die von der Sonne ausgesandt werden (»Sonnenwind«) und die Erde erreichen, sind gezwungen, sich entlang der Feldlinien des Erdmagnetfeldes zu bewegen. So werden sie in Richtung der Pole abgeleitet, wo ihr Auftreffen auf die Erdatmosphäre zu den farbenfrohen Polarlichtern führt.

Der Einfluss der Magnetfeldlinien ist wichtig, weil es ganz und gar nicht einfach für eine Molekülwolke ist, zu der für die Stern- und Planetenentstehung benötigten Dichte zu kollabieren. Die meisten Teilchen bewegen sich, wenn sie der gegenseitigen Schwereanziehung folgen, nicht exakt in Richtung des Zentrums des Kollapses, sondern auch ein wenig seitwärts dazu (der physikalische Hintergrund: dies ist eine Konsequenz der Drehimpulserhaltung). Sind magnetische Feldlinien anwesend, die über große Entfernungen hin gleich ausgerichtet sind, dann reduziert dies die Seitwärtsbewegung, prägt den Teilchenbewegungen eine großräumige Ordnung auf und fördert so den Kollaps der Wolke.

Welche weiteren Forschungsarbeiten legen die Ergebnisse nahe?
Der logische nächste Schritt sind analoge Untersuchungen an anderen, weiter von der Erde entfernten Galaxien, bei denen wir direkt von oben auf die Scheibe blicken. Außerdem sollten Simulationen und theoretische Arbeiten es ermöglichen, charakteristische Merkmale von Gruppen von Sternen vorherzusagen, die in einem großräumig ausgerichteten Magnetfeld entstehen. Für deutlich weiter entfernte Galaxien dürften hinreichend detailscharfe Messungen allerdings erst mit der nächsten Generation von Submillimeter-Teleskopen möglich werden – insbesondere mit ALMA, dem Atacama Large Millimetre/submillimetre Array, dass derzeit von der Europäischen Südsternwarte und Partnern in Ostasien, Nordamerika und Chile in der chilenischen Atacama-Wüste gebaut wird.

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