Titans »Drachenkopf« – tiefgründige Einblicke auf den Saturnmond mit adaptiver Optik

14. April 2004

Neue Aufnahmen der Oberfläche des Saturnmondes Titan von bisher unerreichter Klarheit und Schärfe gelangen einer internationalen Gruppe von Wissenschaftlern unter Beteiligung des Max-Planck-Instituts für Astronomie (MPIA) in Heidelberg [1].

Die Messungen wurden während der Inbetriebnahme eines neuartigen Beobachtungsmodus am Very Large Telescope (VLT) der Europäischen Südsternwarte (ESO) in Chile durchgeführt.

Auf der Oberfläche Titans, des zweitgrößten Mondes im Sonnensystem, wird Anfang 2005 die europäischen Raumsonde Huygens landen. Zur Vorbereitung dieser Mission wird der Mond zur Zeit weltweit kontinuierlich beobachtet. Die neuen Oberflächenkarten sollen der genauen Festlegung des Landeanfluges und des Landeplatzes von Huygens dienen. (Titan erscheint uns am Himmel so groß, wie eine Münze in vier Kilometern Entfernung!)

Titan ist der größte Mond des Ringplaneten Saturn, und, fast gleichauf mit dem Jupitermond Ganymed, der zweitgrößte Mond im Sonnensystem. Als einziger Mond weist er eine dichte Atmosphäre auf, deren Druck in den untersten Schichten etwa anderthalb mal so groß ist wie der Luftdruck auf der Erde. Ähnlich der Erdatmosphäre besteht Titans Atmosphäre größenteils aus Stickstoff. Ihr zweithäufigster Bestandteil ist allerdings nicht Sauerstoff, sondern das bei uns als Treibhausgas bekannte Methan. Dichte Wolken aus Methan und anderen Kohlenwasserstoffen hüllen Titan ein und verhindern in fast allen Wellenlängenbereichen einen direkten Blick auf seine Oberfläche. Untersuchungen der Wolken lassen auf einen auf Methan aufbauenden Wetterkreislauf ähnlich dem irdischen Wasserkreislauf schließen. Kürzlich von Wissenschaftlern in den USA durchgeführte Radarmessungen deuten ferner darauf hin, dass ein Teil der etwa –175°C kühlen Titanoberfläche von einem Ozean aus verflüssigten Kohlenwasserstoffen bedeckt ist. Mit seiner dichten Atmosphäre, dem Wetterkreislauf und möglichen Ozeanen an seiner Oberfläche ist Titan neben der Erde im Sonnensystem einzigartig.

Im Februar 2004 wurde Titan in sechs Nächten mit dem im Infraroten arbeitenden Instrument NACO1 am Very Large Telescope (VLT) der Europäischen Südsternwarte ESO beobachtet. Dabei wurde ein neuartiges Zusatzgerät eingesetzt, das speziell zur Untersuchung von Objekten mit Methanatmosphäre entwickelt wurde. Mit diesem Gerät, dem sogenannten »Spectral Differential Imager« (SDI)2, werden Bilder in mehreren benachbarten Wellenlängen zeitgleich aufgenommen. Während man in einer Wellenlänge nur das Licht registriert, das von den Wolken in der Hochatmosphäre gestreut wird (»Wolkenbilder«), kann man in benachbarten Wellenlängen deutlich und klar Strukturen auf der Oberfläche sehen, da die Methanwolken hier transparent sind (Bild 1). Die »Wolkenbilder« werden dazu benötigt, aus den »Oberflächenbildern«" die Effekte der Lichtstreuung in der Atmosphäre Titans herauszurechnen. Die unter der Leitung von Markus Hartung (ESO) und Tom Herbst (MPIA) durchgeführten Beobachtungen erstreckten sich über einen Zeitraum von einer Woche und überdecken 75 % der Oberfläche Titans (Bild 2 und Film).

Die resultierende Oberflächenkarte zeigt helle und dunkle Strukturen auf Titan. Teile der Oberfläche reflektieren viel Sonnenlicht, während andere Teile das meiste Licht absorbieren. Bei den hellen Strukturen mit hohem Reflexionsvermögen könnte es sich um die von Eis bedeckten »Kontinente« oder Hochebenen Titans handeln. Die dunklen Strukturen mit niedriger Albedo lassen sich als Ozeane deuten.

Auffällig sind die helle Region in Titans südlicher Hemisphäre und die Abfolge dunkler Regionen in der Äquatorregion. Zur besseren Verständigung haben die Wissenschaftler vorläufige Namen für die dunklen Regionen vergeben. 3 Von links nach rechts lauten diese vorläufigen Bezeichnungen: das »liegende H«, der einem Ball nachjagende »Hund« und der »Drachenkopf« (Bild 3).

Die Wissenschaftler wollen die kontinuierlichen Beobachtungen von Titan in den kommenden Monaten fortführen mit dem Ziel, eine vollständige Karte der Oberfläche Titans zu erstellen und damit das Projekt Huygens der Europäischen Weltraumbehörde ESA zu unterstützen. Detailliertere Oberflächenkarten werden sowohl bei der Planung des Landeanfluges von Huygens, als auch bei der Interpretation der Messergebnisse der gemeinsam von NASA und ESA durchgeführten Cassini-Huygens-Mission zum Titan hilfreich sein.

Weitere Einzelheiten der Forschungsergebnisse sind in einem beim Europäischen Wissenschaftsjournal »Astronomy & Astrophysics« eingereichten Artikel von M. Hartung und Kollegen mit dem Titel »First surface map of Titan at 1.575 micron« zu finden.


Bild 1: Titan wurde in mehreren Wellenlängen zeitgleich beobachtet. Das linke Bild zeigt einen klaren Blick auf die Oberfläche. Bei etwas größeren Wellenlängen (rechts) wird die dichte Wolkenschicht aus Methan und anderen Kohlenwasserstoffen undurchdringlich und verbirgt so den Blick auf die Oberfläche. Der Mond erscheint uns am Himmel so groß, wie eine Münze in vier Kilometern Entfernung!



      [1] 

Die beteiligten Wissenschaftler sind:

  • Markus Hartung, Chris Lidman, Olivier Marco (ESO)
  • Tom Herbst, Rainer Lenzen, Wolfgang Brandner (MPIA)
  • Laird Close, Beth Biller, Eric Nielsen (Steward Observatory, USA)

1 N ACO (Kurzform für NAOS-CONICA) ist eine Kombination aus einem in Frankreich gebauten Instrument zur adaptiven Optik (NAOS) und der unter Führung des MPIA in Heidelberg gebauten Infrarotkamera CONICA.
2 Der CONICA-SDI wurde von Rainer Lenzen (MPIA) und Laird Close (Steward Observatory) entwickelt und gebaut.
3 Endgültige, offizielle Namen werden zu einem späteren Zeitpunkt von der Arbeitsgruppe zur Benennung der Objekte im Sonnensystem der Internationalen Astronomischen Union (IAU) vergeben.


Weitere Informationen:
Einzelheiten der Forschungsergebnisse sind in dem beim Europäischen Wissenschaftsjournal »Astronomy & Astrophysics« eingereichten Artikel »First surface map of Titan at 1.575 micron« von M. Hartung und Kollegen zu finden.

Mehr über NAOS und CONICA:
http://www.mpia.de/Public/Aktuelles/PR_2/2001/PR011203/PR_011203_de.html

Eine englischsprachige Pressemitteilung der ESO zu den Beobachtungen Titans:
http://www.eso.org/outreach/press-rel/pr-2004/pr-09-04.html


[Zurück nach oben]

Zur Redakteursansicht