ERC Starting Grant im Umfang von 1.5 Mio Euro für Anna de Graaff
Anna de Graaff, Wissenschaftlerin in der Abteilung Galaxien und Kosmologie (GC) von Hans-Walter Rix am Max-Planck-Institut für Astronomie (MPIA) in Heidelberg, ist mit einem der sehr begehrten und hoch dotierten Förderpreise des Europäischen Forschungsrats (European Research Council, kurz: ERC) ausgestattet worden. Ihr Projekt mit dem Titel „Early Giants in Context: How could Galaxies Grow so Rapidly in the First Billion Years? (zu Deutsch etwa: Frühe Giganten im Kontext: Wie konnten Galaxien in den ersten Milliarden Jahren so schnell wachsen?)“ wird ab Sommer 2026 durch einen ERC Starting Grant mit 1.5 Millionen Euro gefördert werden.

Seit seinem Start im Dezember 2021 hat das James Webb James-Webb-Weltraumteleskop (JWST) bereits einige erstaunliche Entdeckungen gemacht. Das Teleskop, zu dessen instrumenteller Ausstattung auch das MPIA wesentliche Beiträge geliefert hat (siehe hier), konnte dabei insbesondere auch bei Objekten aus der Frühzeit des Kosmos Beobachtungen liefern, die viele Kosmologen überrascht (wenn nicht sogar beunruhigt) haben dürften.
So scheinen sich Galaxien in den ersten Milliarden Jahren des Universums nach dem Urknall überraschend schnell entwickelt zu haben und gewachsen zu sein. Die Beobachtungen deuten darauf hin, dass diese jungen Galaxien eine höhere Sternmasse als erwartet haben, bereits sehr massereiche Schwarze Löcher beherbergen und in einigen Fällen scheibenförmige Morphologien besitzen – somit also in Ihrem Aussehen bereits unserer Heimatgalaxie, der Milchstraße, sehr ähneln.
Nach den gängigen kosmologischen Modellen und den daraus abgeleiteten Szenarien für die Strukturbildung dürfte es aber eine so große Häufigkeit von massereichen Galaxien relativ zeitnah zum Urknall nicht geben. Vereinfacht gesagt wäre nach den gängigen Modellen die Zeit nach dem Urknall für ein solches Entwicklungstempo zu kurz. Diese Hinweise sind daher eine Herausforderung für die Astrophysik, denn entweder stimmt mit den Modellen etwas nicht, oder mit den Beobachtungen (oder zumindest mit deren Interpretation).
Und in der Tat: Diese frühen JWST-Ergebnisse sind noch umstritten, da die Eigenschaften der Objekte bislang weitgehend auf Basis von Direktbildern in verschiedenen Filtern – also auf relativ groben spektralen (photometrischen) Messungen - beruhen, die zudem mit Modellen interpretiert wurden, die im lokalen Universum kalibriert wurden. Lokal heißt in diesem Zusammenhang: mit Eigenschaften von Galaxien von heute – also viel, viel älteren Galaxien, als bei den vom JWST beobachteten Objekten.
Genau hier setzt das nun geförderte Projekt von Anna de Graaff an:
„Um die Frage zu beantworten, ob Galaxien tatsächlich schneller als erwartet gereift sind, und um zu bestimmen, wie Galaxien so schnell wachsen konnten, ist ein umfassender Ansatz erforderlich: hochwertige Spektren für eine große Gruppe von Kandidaten für massereiche Galaxien, kombiniert mit neuartigen Modellierungstechniken zur Interpretation dieser Spektren. Als PI eines großen spektroskopischen JWST-Programms (RUBIES) habe ich die notwendigen Spektren erhalten, die frühe massereiche Galaxien in beispielloser Detailgenauigkeit zeigen, zusammen mit einer breiteren „Kontextprobe” von mehreren tausend Galaxien“, sagt Anna de Graaff.

Richtige Spektren in großer Zahl sind also der mögliche Schlüssel zum Erfolg. Richtige Spektren heißt, dass man das Licht der fernen Galaxien viel detaillierter in seine Bestandteile auflöst und anhand von typischen Signaturen quasi wie bei Fingerabdrücken die Eigenschaften dieser merkwürdigen Objekte viel genauer bestimmen kann.
Das ERC FIRST-GIANTS-Projekt wird diesen neuen spektroskopischen Datensatz des JWST nutzen, um die Häufigkeit massereicher Galaxien in den ersten Milliarden Jahren, ihre Massen, Strukturen und Entstehungsgeschichte zuverlässig zu bestimmen. Die Ergebnisse sollen dann in den Kontext kosmologischer Galaxienentstehungsmodelle eingebettet werden. Ziel ist, zu verstehen, auf welche Weise die Galaxienbildung in Halos aus dunkler Materie ablief und mit welcher Effizienz und nach welchen Regulierungsmechanismen die Sternentstehung stattfand.
Somit könnte das Projekt einen Durchbruch in unserem Verständnis der ersten Milliarde Jahre nach dem Urknall bedeuten und neue Maßstäbe für Galaxienentstehungsmodelle setzen.
Das European Research Council hat für das Projekt von Anna de Graaff nun 1.5 Millionen Euro für 5 Jahre bereitgestellt. Das Projekt wird voraussichtlich im Sommer 2026 beginnen. Mit den umfangreichen Mitteln wird es auch möglich sein, eine Arbeitsgruppe aufzubauen, die neben Anna de Graaff selbst (als Leiterin der Gruppe) auch aus einer Postdocstelle und zwei Doktorandenstellen besteht.
Das ERC bietet verschiedene Förderprogramme im Rahmen seines Programms an. Für alle Anträge auf Förderung gilt, dass sie die Exzellenz der beteiligten Wissenschaftlerinnen und Wissenschaftler, vor allem aber die herausragende Bedeutung der beantragten Projekte belegen müssen.
Anna de Graaff ist Expertin im Bereich der Extragalaktik und Sie interessiert sich für die physikalischen Prozesse, welche die massereichsten Galaxien in unserem heutigen Universum geformt haben. Sie ist Mitglied des NIRSpec GTO-Teams und PI des JWST Cycle 2 Programms RUBIES.
Webseite von Anna de Graaff
Pressemitteilung des ERC
KJ/ADG