JWST zeigt aufschlussreiche Strukturen in 19 nahe gelegenen Spiralgalaxien
Die Forschungskollaboration PHANGS (Physics at High Angular resolution in Nearby GalaxieS) unter der Leitung von Eva Schinnerer, Astronomin am Max-Planck-Institut für Astronomie (MPIA) in Heidelberg, hat heute atemberaubende Bilder von 19 nahen Galaxien veröffentlicht, die mit dem James Webb Space Telescope (JWST) aufgenommen wurden. Diese Bilder wurden mit Infrarotlicht gewonnen und geben einen detaillierten Einblick in die Verteilung der Sterne und des Materials, aus dem sie entstehen. Die Daten sind nun für Astronominnen und Astronomen auf der ganzen Welt öffentlich zugänglich, um die Erforschung von Galaxien und insbesondere der Entstehung ihrer Sterne voranzutreiben.
Es ist ein Leichtes, sich von diesen Spiralgalaxien in den Bann ziehen zu lassen. Folgen Sie einmal ihren scharf umrissenen Armen voller Sterne bis hin zu ihren Zentren, in denen sich alte Sternhaufen und manchmal aktive supermassereiche schwarze Löcher befinden können. Nur das JWST verfügt über die Fähigkeit, so detaillierte Bilder von nahen Galaxien in einer Kombination aus Nah- und Mittelinfrarotlicht zu liefern. Sie wurden heute veröffentlicht.
Die JWST-Bilder sind Teil eines umfassenden, langjährigen Projekts, des PHANGS-Programms (Physics at High Angular Resolution in Nearby GalaxieS), das von mehr als 150 Astronominnen und Astronomen weltweit unterstützt wird. Bereits vor den Aufnahmen mit JWST sammelte PHANGS viele Daten mit dem Weltraumteleskop Hubble (HST), dem Multi-Unit Spectroscopic Explorer (MUSE) Instrument des Very Large Telescope (VLT) und dem Atacama Large Millimeter/submillimeter Array (ALMA), einschließlich Beobachtungen im ultravioletten, sichtbaren und Radiobereich. Die Beiträge von JWST im nahen und mittleren Infrarot haben einige neue Puzzlestücke geliefert.
„Die neuen Webb-Bilder sind außergewöhnlich“, sagt Janice Lee, Projektwissenschaftlerin für strategische Initiativen am Space Telescope Science Institute (STScI) in Baltimore, USA. „Sie sind selbst für diejenigen Forscher überwältigend, die sich seit Jahrzehnten mit Galaxien beschäftigen. Sie zeigen Details von Blasen und Filamenten bis in die kleinsten jemals beobachteten Größenordnungen und erzählen eine Geschichte über den Zyklus der Sternentstehung.“
Als die Bilder eintrafen, breitete sich im Team schnell Begeisterung aus. „Ich habe den Eindruck, dass unser Team ständig von der Detailfülle dieser Bilder überwältigt ist – im positiven Sinne“, fügt Thomas Williams, Postdoktorand an der Universität Oxford im Großbritannien und ehemaliger Postdoktorand am MPIA, hinzu.
Folgen Sie den Spiralarmen
Die NIRCam (Near-Infrared Camera) des JWST hat auf diesen Bildern Millionen von in verschiedenen Blautönen schimmernde Sternen eingefangen. Einige davon sind in den Spiralarmen verteilt, andere wiederum liegen in Sternhaufen dicht beieinander.
Die MIRI-Daten (Mid-Infrared Instrument) des Teleskops heben leuchtenden Staub hervor und zeigen uns, wo er sich hinter, um und zwischen den Sternen befindet. Außerdem werden Sterne sichtbar, die sich bisher nicht vollständig entwickelt haben – sie sind noch von Gas und Staub umhüllt, das sie sich für ihr weiteres Wachstum einverleiben. Sie erscheinen wie helle, rote Perlen an den Spitzen der staubigen Kuppen. „Hier finden wir die jüngsten, massereichsten Sterne in den Galaxien“, sagt Erik Rosolowsky, Physikprofessor an der University of Alberta in Edmonton, Kanada.
MPIA-Ingenieure haben mit Unterstützung der Firma Hensoldt in Oberkochen unter anderem ein Filterrad für die MIRI-Kamera entwickelt, das nun diese fantastischen Bilder liefert. „Wir sind stolz darauf, zu dem überwältigenden Erfolg von MIRI beigetragen zu haben. Diese wunderbaren Bilder sind der Lohn für jahrzehntelange harte Arbeit“, sagt Oliver Krause vom MPIA. Er leitet die Forschungsgruppe für Infrarot-Weltraumastronomie am MPIA und ist verantwortlich für die technischen Beiträge des Instituts zum JWST.
Auswahl von JWST-Bildern
Was hat die Astronominnen und Astronomen sonst noch beeindruckt? Die Bilder des JWST zeigen große, kugelrunde Löcher in Gas und Staub. „Diese Hohlräume könnten von einem oder mehreren explodierten Sternen stammen, die riesige Löcher in das Material zwischen den Sternen gerissen haben“, erklärt Adam Leroy, Professor für Astronomie an der Ohio State University in den USA. „Wir sehen diese Spuren nur auf den Bildern des JWST.“
Verfolgen Sie nun die Spiralarme weiter, um schließlich ausgedehnte, rot und orange erscheinende Gasregionen aufzuspüren. „Diese Strukturen neigen dazu, in bestimmten Teilen der Galaxien dem gleichen Muster zu folgen“, so Rosolowsky weiter. „Wir können sie uns wie Wellen vorstellen. Ihre Abstände sagen uns viel darüber, wie eine Galaxie ihr Gas und ihren Staub verteilt.“ Die Erforschung dieser Strukturen wird entscheidende Erkenntnisse darüber liefern, wie Galaxien Sternentstehung einleiten, aufrechterhalten und unterbinden.
Eintauchen in das Innere
Es ist erwiesen, dass Galaxien von innen nach außen wachsen – die Sternentstehung beginnt im Zentrum der Galaxie und breitet sich entlang ihrer Arme spiralförmig von dort aus. Je weiter ein Stern vom galaktischen Zentrum entfernt ist, desto wahrscheinlicher ist es, dass er auch jünger ist. Im Gegensatz dazu bestehen die Bereiche in der Nähe der Kernregionen, die wie von einem blauen Scheinwerfer beleuchtet aussehen, aus älteren Sternen.
Was ist mit den Galaxienkernen, die mit rosa-roten Beugungsstrahlen durchsetzt sind? Sie entstehen, wenn Licht von hellen und kompakten Objekten in das Teleskop eintritt und auf Strukturen wie die Sekundärspiegelhalterung trifft. „Das ist ein klares Zeichen für ein aktives supermassereiches schwarzes Loch“, sagt Eva Schinnerer, Forschungsgruppenleiterin am MPIA und Leiterin der PHANGS-Kollaboration. „Oder die Sternhaufen im Zentrum sind so hell, dass sie diesen Bereich des Detektors gesättigt haben.“
Forschung in Hülle und Fülle
Es gibt nahezu unendlich viele Fragen, die die Forschenden mithilfe der vereinten PHANGS-Daten beantworten können. Ein guter Ausgangspunkt ist jedoch die beispiellose Anzahl von Sternen, die mit dem JWST aufgelöst wurden. „Sterne können Milliarden oder Billionen von Jahren alt werden“, erklärt Leroy. „Durch genaues Katalogisieren aller Arten von Sternen können wir einen zuverlässigeren, ganzheitlichen Überblick über ihre Lebenszyklen gewinnen.“
Zusammen mit der zügigen Veröffentlichung der Bilder hat das PHANGS-Team auch den bisher größten Katalog von rund 100.000 Sternhaufen herausgegeben. „Die schiere Zahl an Auswertungen, die mit diesen Bildern möglich sind, übersteigt bei Weitem die Fähigkeiten unseres Teams“, betont Rosolowsky. „Wir freuen uns daher, die Forschergemeinschaft zu unterstützen, damit alle, die möchten, einen Beitrag leisten können.“
Hintergrundinformationen
Die am PHANGS-Projekt beteiligten MPIA-Forschenden sind Eva Schinnerer (Leiterin PHANGS), Nadine Neumayer (Leiterin einer Lise-Meitner-Forschungsgruppe am MPIA), Franziska Bruckmann, Stephen Hannon, Jonathan Henshaw, Nils Hoyer, Justus Neumann und Sophia Stuber.
Das James-Webb-Weltraumteleskop ist das weltweit führende Observatorium für die Erforschung des Alls. Das JWST löst Rätsel in unserem Sonnensystem, blickt in ferne Welten um andere Sterne und erforscht die geheimnisvollen Strukturen und Ursprünge unseres Universums und unseren Platz darin. Es handelt sich um ein internationales Projekt unter der Leitung der NASA und ihrer Partner ESA (Europäische Weltraumorganisation) und CSA (Canadian Space Agency).
Das MIRI-Konsortium besteht aus Mitarbeitern der ESA-Mitgliedstaaten Belgien, Dänemark, Frankreich, Deutschland, Irland, den Niederlanden, Spanien, Schweden, der Schweiz und dem Vereinigten Königreich.
Die Arbeit des Konsortiums wird von den nationalen Wissenschaftsorganisationen finanziert – in Deutschland von der Max-Planck-Gesellschaft (MPG) und dem Deutschen Zentrum für Luft- und Raumfahrt (DLR). Die beteiligten deutschen Institutionen sind das Max-Planck-Institut für Astronomie in Heidelberg, die Universität Köln und die Hensoldt AG in Oberkochen, ehemals Carl Zeiss Optronics.
Diese Pressemitteilung ist eine Adaption des Originals vom STScI.