Millionen Grad heißes Gas im Orion-Nebel entdeckt
Beobachtungen des Orionnebels mit dem europäischen Röntgensatelliten XMM-Newton haben zur Entdeckung einer neuen Komponente des komplexen Sternentstehungsgebietes geführt: Eine gigantischen Blase aus Millionen Grad heißem Plasma strömt in die weiträumige Umgebung aus. Das Plasma wird durch den schnellen Wind erzeugt, der vom heißesten jungen Stern im Orionnebel ausgeht.
Zum Herunterladen |
Beobachtungen des Orionnebels mit dem europäischen Röntgensatelliten XMM-Newton haben zur Entdeckung einer neuen Komponente des komplexen Sternentstehungsgebietes geführt: Eine gigantischen Blase aus Millionen Grad heißem Plasma strömt in die weiträumige Umgebung aus. Das Plasma wird durch den schnellen Wind erzeugt, der vom heißesten jungen Stern im Orionnebel ausgeht.
Der berühmte Große Orionnebel, ein ausgedehnter leuchtender Gasnebel, ist in klaren Winternächten sogar mit dem bloßen Auge sichtbar. Er steht im »Schwertgehänge« des Orion, des schönsten und bekanntesten Sternbildes am Winterhimmel.
Der leuchtende Nebel liegt am Rande einer riesigen, dunklen, dichten und kalten Molekülwolke, in der auch viel interstellarer Staub eingelagert ist. Aus dem Gas und Staub der Molekülwolke haben sich kürzlich Tausende von neuen Sternen gebildet – sie sind nicht älter als wenige Millionen Jahre. Unter diesen Sternen gibt es vier besonders massereiche, leuchtkräftige und heiße, deren hauptsächlich ultraviolette Strahlung das Gas der Molekülwolke in ihrer weiteren Umgebung auf etwa zehntausend Grad aufheizt, ionisiert und zum eigenen Leuchten anregt. Die vier Sterne bilden zusammen das berühmte »Trapez«. Der leuchtkräftigste dieser Sterne besorgt mit seiner ultravioletten Strahlung fast ganz allein die Anregung des hellsten Teils des Orionnebels, der so genannten »Huygens-Region« (Abb. 1). Diese heißen Sterne beeinflussen ihre Umgebung aber nicht nur durch ihre enorme ultraviolette Leuchtkraft, sondern auch durch ihren heftigen Massenverlust: Sie blasen ständig schnelle, geladene Teilchen aus ihren äußeren Schichten von sich.
Nun hat eine internationale Forschergruppe, unter der Leitung von Manuel Güdel (Paul Scherrer Institut, Villigen/CH) und mit Beteiligung weiterer Institute aus der Schweiz, Frankreich, Holland, den USA, sowie des Max-Planck-Instituts für Astronomie in Heidelberg, dem viel untersuchten Gebiet ein neues Geheimnis entrissen – sie hat eine rund zwei Millionen Grad heiße Gasblase entdeckt, die anscheinend große Teile des Nebels ausfüllt. Die Gasblase besteht aus einem sehr dünnen Plasma (energiereichen Elektronen und praktisch vollständig ionisierten Atomen) und verrät sich durch ihre Röntgenstrahlung, welche die Forscher mit dem Röntgensatelliten XMM-Newton der ESA nachgewiesen haben. (Abb. 2)
Obschon dünnes, Millionen Grad heißes Gas auch an anderen Orten in unserer Galaxis beobachtet wird, kommt sein Nachweis im Orionnebel unerwartet. Während zwar aufgrund theoretischer Modelle solche Gasblasen vorausgesagt worden sind, schienen bisherige Beobachtungen zu belegen, dass die Gasblasen nur von Supernovae (das sind Explosionen sterbender massereicher Sterne) oder durch die Sternwinde von ganzen Haufen massereicher junger Sterne erzeugt werden. Im Orion-Nebel hat es jedoch (aufgrund seines geringen Alters von wenigen Millionen Jahren) noch keine Supernova geben können. Er wird vor allem von einem einzigen massereichen Stern beleuchtet und angeregt. Aber wie die neuen Beobachtungen zeigen, heizt der starke Wind geladener Teilchen, der von diesem einzigen Stern ausgeht, das umgebende Gas so sehr auf, dass es im Röntgenbereich strahlt. Die Forscher folgern aus energetischen Betrachtungen, dass dieses Phänomen in der ganzen Galaxis verbreitet sein muss, und dass alle Sternentstehungsgebiete, die wie der Große Orionnebel auch nur einen oder wenige massereiche junge Sterne enthalten, heiße Plasmen erzeugen.
Weiter konnten die Forscher zeigen, dass das heiße Gas aus der Nebel-Region in die weitere Umgebung hinein ausfließen muss. Sie haben Hinweise, dass das Gas in eine benachbarte, riesige interstellare Blase fließt. In unserer gesamten Galaxie könnte es sehr wohl solche Gasblasen und Gasflüsse geben, wobei nicht nur die Supernovae, sondern auch die Sternentstehungsgebiete als »Quellen« dieser Ströme eine entscheidende Rolle spielen. Der Orionstrom trägt nachweislich Isotope, die wahrscheinlich in massereichen Sternen erzeugt werden, mit sich in den interstellaren Raum hinaus. Die Gammastrahlung dieser Isotope ist schon früher nachgewiesen worden.
Die heißen Gase beleuchten mit ihrer energiereichen Röntgenstrahlung auch die gegenwärtig im Orionnebel noch entstehenden Sterne und Planetensysteme – vermutlich nicht ohne sie damit in ihrer Entwicklung zu beeinflussen.
A) Hier bildet eine mit dem Weltraumteleskop SPITZER gewonnene Infrarot-Aufnahme des Nebels und seiner Umgebung den Hintergrund. In diesem Spektralbereich leuchtet hauptsächlich der mäßig warme Staub, der in den Nebel, aber auch in die Molekülwolke eingelagert ist. Da er hauptsächlich von den Trapez-Sternen erwärmt wird, leuchtet er in ihrer Nähe am hellsten. Der Infrarotaufnahme ist das blau kodierte, mit XMM-Newton gewonnene Röntgenbild der neu entdeckten heißen Röngenblase überlagert. Die annähernd kreisförmige Linie gibt das Gesichtsfeld des Röntgenbildes an.
B) Hier sind in das – etwas anders als in A) eingefärbten – Infrarotbild nur die Konturen der ultraheißen Blase eingetragen. Man erkennt, dass die Blase einen weitgehend staubfreien Raum einnimmt. Anscheinend wird der Staub von der energiereichen Strahlung der Röntgenblase zerstört.
C) Trägt man die Konturen der Blase in das optische Bild ein (vgl. Abb. 1), so zeigt sich, dass auch das im Sichtbaren leuchtende ionisierte Gas im Bereich der Röntgenblase fast vollständig fehlt.
D) Hier ist dem optischen Bild die Emission des ionisierten Gases im Radiokontinuum (in Form von »Höhenlinien«) überlagert. Die Karte gibt die von der Absorption durch Staub unverfälschte Verteilung des ionisierten Gases an. Die Röntgenblase liegt wiederum im Randbereich dieser Verteilung.
Publikation: Manuel Güdel, Kevin R. Briggs, Thierry Montmerle, Marc Audard, Luisa Rebull, Stephen L. Skinner: A Million-Degree Plasma Pervading the Extended Orion Nebula, Science Express (Online-Version des Journals »Science«), 29. November 2007.http://www.sciencemag.org/sciencexpress/recent.dtl