Außerirdische Farbenvielfalt: Wie erkennt man Leben auf anderen Planeten?

16. März 2015

Astronomen und Biologen unter der Leitung des MPIA-Doktoranden Siddharth Hegde haben die "chemischen Fingerabdrücke" von 137 verschiedenen Spezies von Mikroorganismus bestimmt. Das Ergebnis soll in Zukunft dabei helfen, Leben auf der Oberfläche von Exoplaneten nachzuweisen. Die Organismen stammen aus den unterschiedlichsten Lebensräumen, und einige von ihnen sind an extreme Umweltbedingungen angepasst. Das erlaubt eine erste vorsichtige Abschätzung der möglichen Farbenvielfalt von Lebensformen auf Exoplaneten. Die Ergebnisse sind als Online-Datenbank und in den Proceedings of the National Academy of Sciences of the United States of America (PNAS) veröffentlicht.

Astronomen und Biologen haben sich zusammengetan, um eine neue Suchstrategie für Leben auf Exoplaneten (also Planeten außerhalb unseres eigenen Sonnensystems) zu entwickeln. Bisherige Strategien hatten sich auf indirekte Spuren von Leben konzentriert, etwa die Auswirkungen, die Leben auf die Zusammensetzung der Atmosphäre des betreffenden Planeten hat. Wird die Oberfläche eines Exoplaneten allerdings von einer bestimmten Lebensform dominiert, könnte ein direkterer Nachweis von Leben möglich sein: anhand des Lichts, das von Organismen reflektiert wird und dabei eine charakteristische Färbung annimmt.

Astronomen untersuchen Planeten, indem sie das Sternenlicht auffangen, das von Atmosphäre und Oberfläche des Planeten reflektiert wird. Stehen Jupiter oder Venus hell leuchtend am Himmel, dann handelt es sich bei ihrem Licht um Sonnenlicht, das von diesen Planeten reflektiert wird. Außerirdische Astronomen, die detaillierte Beobachtungen unseres Heimatplaneten vornehmen, würden feststellen, dass ein Teil des von der Erde reflektierten Lichts grün eingefärbt ist, weil es von Bäumen und anderen Pflanzen reflektiert wurde.

Entsprechend könnte auch ein Organismus, der hinreichend große Teile einer Exoplanetenoberfläche bedeckt, direkt nachgewiesen werden, indem man die Färbung misst, die er dem reflektierten Licht aufprägt. Diese Färbung wiederum hängt von den Pigmenten ab, also den Farbstoffen, die der Organismus enthält. Die Details der Färbung lassen sich im Spektrum des Lichts nachweisen, also in der Zerlegung des Lichts in seine Regenbogenfarben. In einem solchen Spektrum hinterlassen unterschiedliche Farbstoffe unterschiedliche Intensitätsmuster - das chemische Analogon eines Fingerabdrucks, der zur Identifikation der unterschiedlichen Arten von Mikroorganismen genutzt werden kann.

Jetzt hat sich eine Gruppe von Astronomen und Biologen unter der Leitung von Siddharth Hegde daran gemacht, die Vielfalt der Möglichkeiten solcher chemischer Fingerabdrücke zu erkunden. Hegde, während dieser Forschungen Doktorand am Max-Planck-Institut für Astronomie, und Lisa Kaltenegger (Direktorin des Institute for Pale Blue Dots an der Cornell-Universität), taten sich dazu mit der Biologin Lynn Rothschild, ihrem Postdoktoranden Ivan Paulino-Lima und dem Biologen Ryan Kent zusammen, die am Ames Research Center der NASA arbeiten. Das gemeinsame Ziel: herauszufinden, welche chemischen Fingerabdrücke unterschiedlichen Mikroorganismen entsprechen, und was das für die Färbungsmöglichkeiten für die Oberflächen von Exoplaneten bedeutet.

Zu diesem Zweck stellte das Team Kulturen von 137 unterschiedlichen Arten (Spezies) von Mikroorganismen zusammen: 36 aus existierenden Sammlungen von Kulturen, 100 die Paulino-Lima zusammengestellt hatte sowie einen Organismus, den Rocco Mancinelli vom Bay Area Environmental Research Institute am Ames-Standort Mountain View isoliert hatte. Hauptkriterium bei der Auswahl der Arten war es, eine möglichst große Vielfalt an Pigmentierungen zu bekommen: Die 137 Organismen weisen eine große Farbvielfalt auf und stammen aus ganz unterschiedlichen Lebensräumen, von der chilenischen Atacamawüste in Chile bis zu Hawaianischem Salzwasser und Holzbauten an einer Solequelle im Boone's Lick State Park in Missouri.

Bei ihren Untersuchungen ließen die Forscher in kontrollierter Weise Licht auf jede der Kulturen fallen, maßen den chemischen Fingerabdruck des reflektierten Lichts und stellten ihre Ergebnisse in einem Online-Katalog zusammen. Der Katalog enthält Reflexionsspektren bei sichtbaren und nahinfraroten Wellenlängen von 0,35 bis 2,5 Mikrometer. Er ist der vollständigste und vielfältigste seiner Art, und der erste Katalog, der direkt im Hinblick auf die Oberflächeneigenschaften von Exoplaneten zusammengestellt wurde.

Das Team plant, noch weitere Proben zusammeln und den Katalog so zu erweitern, dass er eine noch größere Vielfalt an Mikroorganismen erfasst. Das Ergebnis sollte nicht nur für Astrobiologen interessant sein, sondern auch für Astronomen, die Modelle für Planetenatmosphären berechnen. Der Nachweis solcher chemischen Fingerabdrücke von Organismen auf einer Planetenoberfläche stellt allerdings selbst für die nächste Generation von Teleskopen eine beachtliche Herausforderung dar. Derzeit ist es noch nicht möglich, reflektiertes Licht eines Exoplaneten von ähnlicher Größe wie die Erde zu beobachten - solch ein Planet würde durch seinen Stern schlicht überstrahlt. Kaltenegger beschreibt den Nutzen der Datenbank wie folgt: "Diese Datenbank gibt uns erste Einblicke in die Vielfalt an nachweisbaren Lebensspuren auf den vielen verschiedenen Welten, die es da draußen geben könnte."

Hintergrundinformationen

Die hier beschriebenen Ergebnisse wurden veröffentlicht in den Proceedings of the National Academy of Sciences of the United States of America (PNAS) als Hegde et al.: "Surface biosignatures of exo-Earths: Remote detection of extraterrestrial life."

Die Koautoren sind Siddharth Hegde (MPIA), Ivan G. Paulino-Lima (NASA Postdoctoral Program Fellow, NASA Ames Research Center), Ryan Kent (UCSC UARC at NASA Ames), Lisa Kaltenegger (MPIA und Institute for Pale Blue Dots, Cornell University) und Lynn Rothschild (NASA Ames).

Journalisten können (auch vor Ablauf der Sperrfrist) auf dem Portal EurekAlert Zugang zu dem Fachartikel von Hegde et al. bekommen. Dazu melden Sie sich bitte auf EurekAlert an (http://www.eurekalert.org/register.php) und geben dabei an, dass Sie Zugang zu PNAS-Materialien wünschen. Wer bereits bei EurekAlert registriert ist, kann den Wunsch auf Zugang zu PNAS-Materialien auf seinen Kontoführungsseiten äußern (http://www.eurekalert.org/account.php).

Die Arbeit wurde im Rahmen des NASA Planetary Biology Internship Award (PBI) durchgeführt, den Hegde 2013 erhielt. Ab Mai 2015 wird Hegde als Postdoktorand am Institute for Pale Blue Dots an der Cornell-Universität forschen; dort befinden sich auch die Server der Biosignature Database, online zugänglich unter der URL

http://biosignatures.astro.cornell.edu

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Fragen und Antworten

Was ist an diesen Ergebnissen neu und / oder wichtig?

Die 137 chemischen Fingerabdrücke bilden die bislang vollständigste und vielfältigste Sammlung ihrer Art. Zuvor waren Messungen dieser Art vornehmlich an Pflanzen durchgeführt worden. Die Pigmentvielfalt ist bei Mikroorganismen deutlich größer als bei (Land-)Pflanzen und erlaubt daher eine bessere Abschätzung, wie mögliche chemische Fingerabdrücke von Organismen auf Exoplaneten-Oberfläche aussehen könnten.

Derzeit dient der Katalog insbesondere als Beispiel für die potenzielle Vielfalt von Leben außerhalb unseres Sonnensystems. Das verweist gleichzeitig auf die mögliche Vielfalt an Eigenschaften von Exoplaneten - die betreffenden Pigmente haben sich unter den verschiedensten Lebensbedingungen gebildet; entsprechende Nachweise auf einem Exoplaneten würden daher zugleich Informationen über die Planeteneigenschaften liefern.

Zudem wird die Atmosphäre eines Planeten durch seine Oberfläche beeinflusst. Das betrifft insbesondere die Art und Weise, wie Licht von der Oberfläche reflektiert wird und dann für unterschiedliche chemische Vorgänge in der Atmosphäre zur Verfügung steht. Die hier beschriebenen Pigmente liefern damit mögliche unterschiedliche Anfangsbedingungen für die Modelle von Exoplanetenatmosphären (und insbesondere des Strahlungstransports in solchen Atmosphären).

Was spricht dafür, dass Mikroorganismen uns Anhaltspunkte für die Eigenschaften außerirdischen Lebens liefern können?

Einzellige Mikroorganismen dominieren die Geschichte des Lebens auf der Erde: sie besiedeln seit mindestens 3,5 Milliarden Jahre die Erdoberfläche (die Erde selbst ist 4,5 Milliarden Jahre alt), während es Pflanzen erst seit rund 460 Millionen Jahren gibt. Außerdem schließen Mikroorganismen die Extreme der Lebensvielfalt ein: sogenannte Extremophile (wörtlich "[Organismen,] die extreme Umweltbedingungen lieben" haben die Biologen immer wieder durch ihre Widerstandsfähigkeit und Überlebensfähigkeit. Solche Organismen sind selbst dort anzutreffen, wo die physikalischen und geochemischen Umweltbedingungen extrem sind; von heißen Quellen im Yellowstone-Nationalpark über die Antarktis bis zu den inneren Regionen des Unglücksreaktors von Tschernobyl.

Biologen gehen davon aus, dass es Grenzen dafür gibt, welche Formen Leben annehmen kann (beispielsweise braucht irdisches Leben zwangsläufig Wasser). Eine repräsentative Sammlung von chemischen Fingerabdrücken extremophiler Mikroorganismen deckt vermutlich ein weites Spektrum an physikalischen und geochemischen Lebensbedingungen auf Exoplaneten ab; das sollte einem weiten Spektrum an Möglichkeiten entsprechen, wie eine dominante Lebensform auf einem Exoplaneten aussehen könnte.

Wie unterscheiden sich die chemischen Spektren von lebendem und unbelebten Material?

Beim Zusammenstellen des Katalogs bestätigten die Forscher, dass der chemische Fingerabdruck eines Mikroorganismus direkt durch dessen Pigmentgehalt bestimmt wird. Dieser wiederum ist eine Folge sekundärer Stoffwechselprozesse, die nur in lebenden Organismen ablaufen und eine wichtige Rolle bei der Photosynthese, der Abwehr schädlicher UV-Strahlung oder der Vorsorge gegen Oxidationsschäden spielen. Der Nachweis eines charakteristischen Pigmentgemischs entspricht daher in der Tat dem Nachweis einer bestimmten Klasse lebender Organismen.

Woher stammten die Proben?

36 der Proben stammten aus bereits existierenden Sammlungen von Kulturen: 21 aus der Sammlung von Algenkulturen der Universität Texas in Austin, acht aus dem Kudela-Labor der University of California, Santa Cruz, sechs aus dem Rothschild-Labor am NASA Ames Research Center in Kalifornien und eine aus dem Saltikov-Labor an der University of California, Santa Cruz. Die restlichen Proben wurden an einer Vielzahl von Fundorten für diese Studie isoliert: 100 von Ivan Paulino-Lima und eine von Rocco Mancinelli.

Wo und wie wurden die chemischen Fingerabdrücke gemessen?

Hegde, Paulino-Lima und Kent maßen die chemischen Fingerabdrücke ihrer Mikroorganismen am Center for Spatial Technologies and Remote Sensing (CSTARS) der University of California, Davis. Sie nutzten dazu eine Integrationskugel (Ulbricht-Kugel), die hohl und von innen reflektierend beschichtet ist. Die Kugel weist Löcher für die Lichtquelle, die zu untersuchende Probe und den Detektor auf, welcher das reflektierte Licht messen soll. Dabei scheint das Licht durch eines der Löcher auf die Probe; das von der Probe reflektierte Licht wird dann durch mehrfache Reflexion in der Kugel gleichmäßig vermischt. Dass bedeutet, dass der Detektor - unabhängig von seiner Position relativ zur Probe - eine Art Durchschnitt des von der Probe reflektierten Lichts misst. Das ist wichtig, weil Teleskope in absehbarer Zukunft nur einen Durchschnittsfarbwert für den gesamten sichtbaren Teil einer Planetenoberfläche werden messen können, aber keine Details.

Können wir die chemischen Fingerabdrücke von Mikroorganismen auf Exoplaneten mit heutiger Technik messen?

Nein. Um das von einer Exoplaneten-Oberfläche reflektierte Licht direkt zu messen, müsste ein Teleskop in der Lage sein, dieses Licht vom Licht des direkt benachbarten Sterns zu trennen. Ein Stern ist freilich um Größenordnungen heller als ein Planet, und diese Sorte von Beobachtung wird selbst für die nächste Generation von Teleskopen noch eine große technische Herausforderung darstellen.

Wofür lassen sich die chemischen Fingerabdrücke heute schon nutzen?

Beim heutigen Stand dient der Katalog vor allem dazu, die potenzielle Vielfalt von Leben außerhalb unseres Sonnensystem zu demonstrieren. Sie entspricht einer potenziellen Vielfalt von Exoplaneten, da spezifische Pigmente oft mit spezifischen Umweltbedingungen korrelieren und somit Aufschluss über Eigenschaften des Planeten geben können. Die Oberfläche eines Planeten beeinflusst zudem die Planetenatmosphäre - und die chemischen Fingerabdrücke könnten daher Input für Modelle von Planeten liefern (insbesondere für Modelle des Strahlungstransports in der Atmosphäre). Genauer gesagt beeinflusst die Oberflächenbeschaffenheit, wieviel Strahlung von der Oberfläche reflektiert wird und dann in der Atmosphäre z.B. für chemische Reaktionen zur Verfügung steht.

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